Neuer Aktionsplan: So will Lübeck gegen Gewalt an Frauen vorgehen
57 Maßnahmen aufgelistet – Für ein drittes Frauenhaus fehlt aber das Geld.

Das Bündnis „FemStreik Lübeck“ hat Schilder an der MuK-Brücke befestigt, die an die Femizide in Deutschland erinnern.Foto: Holger Kröger
Lübeck. Im August versuchte ein 64-jähriger Mann aus Kücknitz, seine Ehefrau zu erschießen. Im vergangenen Jahr registrierte die Polizei 727 Opfer von häuslicher Gewalt in Lübeck, zumeist sind Frauen betroffen. 759 Frauen und Kinder fanden 2024 in den beiden Lübecker Frauenhäusern keine Aufnahme, weil beide Einrichtungen voll belegt sind.

Gewalt gegen Frauen – darauf weist unter anderem das Bündnis „FemStreik Lübeck“ mit Schildern an der MuK-Brücke hin, die an die Femizide in Deutschland erinnern. Und dagegen will jetzt auch die Stadt Lübeck vorgehen. Mit einem „Aktionsplan zur Umsetzung der Istanbul-Konvention“. Die Istanbul-Konvention wurde 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt verabschiedet. Deutschland hat das Übereinkommen 2018 rechtsgültig anerkannt. Im Mai 2024 hat die Bürgerschaft den Aktionsplan in Auftrag gegeben, jetzt liegt er vor.

57 Maßnahmen werden darin vorgeschlagen, die kein Geld kosten oder für die Mittel bereits vorhanden sind. Dazu zählen ein Runder Tisch, die Wanderbank des Frauenbüros oder die Aktion „Gewalt kommt nicht in die Tüte“.

Andere Maßnahmen dagegen kosten Geld. Die Einrichtung von Schutzwohnungen für Frauen, die mit ihren Kindern vor der Gewalt der Partner fliehen, wird auf mindestens 90.000 geschätzt. Der Ausbau von Beratungsstellen wird 225.000 Euro kosten.

Linke & GAL fordern drittes Frauenhaus

„Endlich gibt es gesetzliche Grundlagen im Kampf gegen Gewalt an Frauen, da fehlt das Geld“, skizzierte die Gleichstellungsbeauftragte der Hansestadt, Elke Sasse, die aktuelle Problemlage.

Linke & GAL fordern eine dritte Zufluchtsstätte neben dem Awo-Frauenhaus und dem Autonomen Frauenhaus. „Von einem Haus mit zehn bis 15 Plätzen würden rund 50 betroffene Frauen profitieren, weil die Plätze mehrmals im Jahr belegt werden können“, sagte die GAL-Politikerin Juleka Schulte-Ostermann in der Bürgerschaft.

Lübeck verfüge bereits über eine gute Infrastruktur zum Schutz der Frauen und Kinder, aber es gebe noch Lücken im Hilfesystem, erklärte Michelle Akyurt (CDU), insbesondere beim Schutz von Frauen mit Behinderungen, psychischen Erkrankungen oder beim Schutz von wohnungslosen Frauen. „Diese Lücken müssen wir schließen“, sagte die Sozialpolitikerin, „aber wir müssen dabei auch unsere finanziellen wie personellen Ressourcen im Blick behalten.“

„Der Aktionsplan kann sich sehen lassen“, erklärte Mandy Siegenbrink, Co-Fraktionschefin der Grünen. Zugleich mahnte sie eine Stellungnahme der Verwaltung zu den Konzepten für Schutzwohnungen an, die die Frauenhäuser schon vor Monaten vorgelegt haben.

Die Grünen tun sich schwer mit einem dritten Frauenhaus. Denn sie wollen das Land nicht aus seiner finanziellen Verantwortung lassen. Außerdem: „Je mehr Plätze Lübeck schafft, desto mehr Frauen kommen von außerhalb in unsere Frauenhäuser“, sagte Mandy Siegenbrink. Das bestätigte Sozialsenatorin Pia Steinrücke (SPD): „Zusätzliche Plätze werden ganz schnell aus dem ganzen Bundesgebiet belegt.“

FDP-Politiker: Auch um Jungen und Männer kümmern

Der FDP-Politiker Daniel Kerlin plädierte dafür, sich im Aktionsplan auch um Jungen und Männer zu kümmern. Männer seien öfter kriminell, Jungen hätten schlechtere Schulabschlüsse. Kerlin: „Gezielte Maßnahmen wären in einem Aktionsplan sinnvoll. Sonst passieren Dinge, die wir nicht wollen.“

SPD und Freie Wähler wollen vor allem das Land in die Pflicht nehmen. „Wir müssen der Landesregierung deutlich sagen, dass wir in Lübeck mehr Plätze brauchen“, sagte Gregor Voht (Freie Wähler). Die SPD-Sozialpolitikerin Renate Prüß forderte, dass das Land auch die Schutzwohnungen in der Hansestadt finanzieren solle.

Die Diskussion laufe gerade im Land, berichtete Sozialsenatorin Steinrücke. Und mahnte: Wenn Lübeck jetzt Schutzwohnungen aus dem eigenen Säckel bezahlt, „ist es raus aus der Landesförderung“ . dor
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