Kunstschätze in Gefahr:
Lübeck braucht ein zentrales Depot
Museen nennen konservatorische Bedingungen „größtenteils katastrophal“ – Speicher würde 21 Millionen kosten.

Noch bis zum 10. August ist die Ausstellung „Verlagert. Die Kunst in Bewegung“ in der Kunsthalle St. Annen zu sehen. Präsentiert werden verborgene Schätze aus den Depots des Museumsquartiers St. Annen, die für die Lagerung nicht mehr taugen.Foto: Lutz Roeßler
Lübeck. In der selbst ernannten Kulturhauptstadt des Nordens droht Kunst vor die Hunde zu gehen. Warum? Weil es der Hansestadt seit 17 Jahren nicht gelingt, ein zentrales Depot einzurichten, in dem die Schätze sicher sind. Jetzt gibt es einen neuen Anlauf. Aber der wird teuer.

„Insbesondere im St. Annen-Museum, in dessen Räumen auch die Depots der Kunsthalle und des Museums Behnhaus Drägerhaus beherbergt sind, ist der Brandschutz als vollkommen unzulänglich zu bezeichnen, der gesam­te Bestand der Kunst ist dort akut gefährdet“, heißt es in einem Bericht der Lübecker Museen. Einzelne Sammlungsbestände hätten bereits Schaden genommen.

Die Lagerbedingungen seien prekär. Wegen unzureichender Lagerkapazität, Lufthygiene, Klimastabilität, Brandschutz- und Diebstahlsicherheit bestehe für einige Sammlungsbestände eine akute Gefährdung bis hin zu drohendem Verlust.

Bislang seien die Sammlungen der Museen in kleineren, zerstreuten und meist überfüllten Depots in den jeweiligen Häusern untergebracht, heißt es weiter.Doch in diesen Depots sei zu wenig Platz, die Sicherheitsstandards seien oft unzureichend und die konservatori­schen Bedingungen größtenteils katastrophal.„Wir haben die Dachböden des St. Annen-Museums bereits geräumt“, berichtete Tilman von Stockhausen, Chef der Museen, im Kulturausschuss der Bürgerschaft, „wir haben aus der Not eine Tugend gemacht und die Werke in der Kunsthalle präsentiert.“

Für weitere Kunstwerke wurden Flächen der Firma Hasenkamp in Hamburg angemietet, wiederum andere sind im ehemaligen Archiv der Lübecker Nachrichten im Herrenholz untergebracht worden.

Doch externe Zwischenlagerungen seien teuer, sagen die Museumsfachleute. Die Kul­turstiftung als Trägerin der Museen hat deshalb das auf Depot- und Archivbauten spezialisierte Planungsbüro Iconyk aus München beauftragt, einen Plan für ein Sammlungszentrum zu entwi­ckeln.

Iconyk empfiehlt den Bau eines zentralen Depots. Fast 10.000 Quadratmeter muss das Sammlungszentrum groß sein, haben die Gutachter ermittelt. Kosten: schätzungsweise 21 Millionen Euro. „Wir wollen Fördergelder und Drittmittel einwerben“, sagte Tilman von Stockhausen.

Für die finanziell angeschlagene Hansestadt eine gigantische Summe. Und doch bekennen sich die Kulturpolitiker mehrerer Fraktionen zu dieser Ausgabe. „Das ist das wichtigste kulturpolitische Vorhaben der Hansestadt in den nächsten Jahren“, sagte CDU-Kulturpolitiker Hermann Junghans, „wir müssen uns dieses Projekt leisten und mit höchster Priorität umsetzen.“

„Wir brauchen dieses Depot unzweifelhaft“, erklärte der SPD-Kulturpolitiker Peter Petereit. Detlev Stolzenberg (Unabhängige) brachte die Überlegung ins Spiel, leer stehende Industriebauten dafür zu nutzen.

Doch davon raten die Museumsfachleute ab. „Mir wurden schon die Tudorhallen oder die Gebäude am Glashüttenweg zugerufen“, berichtete Kultursenatorin Monika Frank (SPD) im Hauptausschuss, „aber Grundstücke am Wasser scheiden grundsätzlich aus.“

Die Verwaltung liebäugelt mit einem unbebauten Grundstück in Eichholz. Museumsdirektor von Stockhausen hat nur Sorge wegen des Bebauungsplans: „Der kann dauern.“ Und der Kulturstiftung läuft die Zeit davon.

Dabei wird schon seit 17 Jahren über ein zentrales Depot diskutiert. Der Großteil der geprüften Gebäude erwies sich jedoch als nicht geeignet. Zu den Standorten zählte der frühere Gasometer der Stadtwerke, ein Grundstück am Herrendamm oder ein ehemaliger Praktiker-Baumarkt in der Geniner Straße. Nichts davon wurde umgesetzt. 2019 wurde die Idee des Wissensspeichers beerdigt. dor
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