Ein Vater schiebt seinen Nachwuchs in der Sportkarre. Dabei checkt er Nachrichten auf seinem Mobiltelefon. Blickkontakt und Sprechen mit dem Kind: Fehlanzeige. Szenenwechsel: Schulkinder schauen auf dem Pausenhof auf ihr Smartphone statt sich mit Gleichaltrigen auszutauschen. Dies sind nur zwei typische Alltagssituationen, in denen virtuelle Kommunikation an die Stelle direkter Zwiegespräche tritt – mit möglichen Folgen für die Sprachentwicklung Heranwachsender. Und die scheint laut Daten der KKH Kaufmännische Krankenkasse immer häufiger aus dem Lot zu geraten. Demnach stieg der Anteil der Sechs- bis 18-Jährigen mit Sprach- und Sprechstörungen von 2008 auf 2023 um rund 77 Prozent. Bundesweit waren 8,6 Prozent der Heranwachsenden in 2023 betroffen, sprich etwa jedes 15. Mädchen und jeder zehnte Junge. Bei den Sechs- bis Zehnjährigen litt sogar rund jedes sechste Kind unter behandlungsbedürftigen Sprachdefiziten.Für Vijitha Sanjivkumar vom Kompetenzteam Medizin der KKH sind das alarmierende Zahlen, denn: „Sprache ist der Grundpfeiler für die persönliche Entwicklung eines Menschen. Deshalb ist es wichtig, dass Eltern von Beginn an gezielt die Sprachentwicklung ihres Kindes unterstützen.“ Das bedeutet: im Alltag kontinuierlich altersgerechte Sprachreize anzubieten – sei es in Form von Gesprächen, Geschichten
vorlesen, gemeinsamem Singen oder auch Puppen- und Rollenspielen. Verbringen Kinder hingegen viel Zeit mit dem Tippen und Wischen statt zu brabbeln, Laute zu bilden oder mit Eltern und Geschwistern zu sprechen, gehen ihnen wertvolle Spracherfahrungen verloren. Denn dabei werden weder Wortschatz und Grammatik weiterentwickelt noch das freie Reden und Interagieren in Gesprächen trainiert. Das kann die Sprachentwicklung hemmen. Daher ist es keine gute Idee, kleine Kinder vor Bildschirmen zu parken, auch wenn es im hektischen Familienalltag häufig das Mittel der Wahl ist, um sie zu beschäftigen. Fakt ist: Digitale Medien gehören zu einem immer früheren Zeitpunkt zum Leben von Kindern – auch weil wir Erwachsenen ihnen den Umgang damit tagtäglich vorleben. „Ein wichtiger Schritt zu mehr Zeit für Spracherwerb ist daher, die Bildschirmzeit zu begrenzen und sie möglichst gemeinsam mit dem Nachwuchs zu verbringen“, empfiehlt Sanjivkumar. „Hören und sehen Sie sich Beiträge zusammen an und reden Sie mit Ihrem Nachwuchs darüber. So lassen sich Smartphone & Co. gewinnbringend für die Sprachentwicklung einsetzen.“Neben intensiver Mediennutzung sowie mangelnder Sprachförderung in der Familie können auch eine Hörminderung, erbliche Veranlagung oder ein Schicksalsschlag Ursache für kommunikative Defizite von Kindern und Jugendlichen sein.