Um das zu erreichen, braucht es nicht nur engagierte Mitstreiter, sondern auch jemanden, der die Angebote koordiniert und die Akteure vernetzt. Künftig laufen alle Fäden bei Julia Bernstorff zusammen. Die 42-Jährige ist seit Anfang des Jahres Lübecks Netzwerkkoordinatorin für Hospiz- und Palliativversorgung. Diese neue Stelle umfasst 14 Wochenstunden, ist beim Gesundheitsnetzwerk angesiedelt und wird von der Stadt und den Krankenkassen finanziert.
Bernstorffs Hauptaufgabe besteht darin, das Zusammenwirken aller Akteure zu koordinieren und weiter zu verbessern. Die Lübeckerin hat 24 Jahre als Palliativfachkraft in der stationären Altenpflege gearbeitet. Sie weiß daher genau, „wie wichtig es ist, auch über die letzte Phase des Lebens selbstbestimmt entscheiden zu können“.
Bernstorff wünscht sich eine noch engere Verzahnung von Institutionen, Arbeitsgruppen und Fachkräften und möchte mit ihnen gemeinsam bestehende Angebote ausbauen und neue Ideen entwickeln.
Lübeck ist ihrer Meinung nach in der Palliativversorgung „schon sehr gut aufgestellt“. In der Hansestadt fehle bisher jedoch eine „digitale Plattform, die Betroffenen, Angehörigen und Anbietern einen Überblick über alle Angebote liefert“.
Verbesserungsbedarf sieht Bernstorff auch im Hospizbereich. Derzeit stehen in Lübeck sieben stationäre Hospiz-Plätze zur Verfügung. Gemessen an der Einwohnerzahl bräuchte die Hansestadt laut Bernstorff zwölf Plätze. Zwar sei mit dem „Haus für Lübeck“ ein neues Hospiz dieser Größenordnung geplant, doch das Projekt sei ins Stocken geraten, weil auf dem dafür vorgesehen Grundstück Altlasten entdeckt wurden.
Zwölf Hospiz-Plätze für eine Großstadt wie Lübeck scheinen wenige zu sein, doch der Bedarf wird laut Bernstorff genau berechnet und richtet sich nach Einwohnerzahl und Erfahrungswerten. Die meisten Menschen wünschten am Ende ihres Lebens eine Betreuung in ihrem Zuhause durch ambulante Palliativdienste.
Doch viele Menschen verbringen ihre letzte Lebensphase nicht in den eigenen vier Wänden, sondern in einer stationären Pflegeeinrichtung. Auch hier sieht Bernstorff Verbesserungsbedarf. Zwar brauchen Pflegeeinrichtungen zwingend ein Palliativkonzept. „Aber in jedem Haus läuft es anders, weil es dafür bisher keine einheitlichen Standards gibt“, erklärt die Netzwerkkoordinatorin.
Entscheidend sei, dass die palliative Begleitung bereits mit der Diagnose beginnt. Von den Ärzten wünscht sich Bernstorff mehr Unterstützung: „Jeder Mediziner sollte seinen betroffenen Patienten erklären, wo sie Hilfe erhalten.“ Mögliche Ansprechpartner seien zum Beispiel das Palliativnetz Travebogen, der Lübecker Hospizdienst „gemeinsam gehen“ und der Pflegestützpunkt.
Bernstorff hofft, dass das Thema Tod und Sterben „immer weiter aus der Tabu-Ecke herausgeholt werden kann“. Sie plädiert dafür, sich frühzeitig darüber Gedanken zu machen, wie das Lebensende aussehen soll. Denn „der Tod ist so individuell wie das Leben“. Es liege in der Natur des Menschen, die eigene Endlichkeit zu verdrängen, doch durch die Auseinandersetzung damit verliere die Thematik ihren Schrecken.
Die Arbeit im Palliativ-Bereich sei „erfüllend, weil man ganz konkret lindern und helfen kann“. Ehrenamtliche seien ein Grundpfeiler der Palliativversorgung, „aber immer schwieriger zu finden“. Julia Bernstorff versteht, dass sich viele nicht langfristig binden wollen oder können. Doch sie ist überzeugt: „Es ist besser, sich für eine gewisse Zeit zu engagieren als gar nicht.“