„Crack muss ständig konsumiert werden“, berichtete Karin Mechnich, bis Ende Juli Leiterin des Awo-Fachzentrums, jetzt im Sozialausschuss der Bürgerschaft, „dieser ständige Druck macht extrem aggressiv.“ Der Crack-Konsum sei eines der aktuell größten Probleme der Drogenberater.
Auch in der Begegnungsstätte für Süchtige unterhalb der Marienbrücke sei es bereits zu Übergriffen auf das Personal gekommen. Karin Mechnich sprach im Sozialausschuss von zwei Anzeigen, die deswegen erstattet wurden. Außerdem seien vermehrt Hausverbotewegen Konsums ausgesprochen worden. Für die Drogenberater und Streetworker wünscht sich die Suchtexpertin mehr Selbstverteidigungskurse.„Auch wir haben in der letzten Zeit eine zunehmend aggressive Stimmung am Hauptbahnhof bemerkt“, sagt Nadine Düsenberg, Leiterin der Ökumenischen Bahnhofsmission mit 17 Ehrenamtlichen auf LN-Anfrage. „Vermehrt kommen Menschen mit psychischen Erkrankungen auf uns zu, oft in einer Kombination mit anderen Problemlagen wie Sucht oder Obdachlosigkeit, was für unsere Ehrenamtlichen oft herausfordernd ist.“ Nicht immer sei für sie erkennbar, ob es sich um Cracksüchtige handele.
Ob die vor Kurzem aufgelöste Sicherheitspartnerschaft von Polizei, Stadt und Drogenberatung wegen der Lage am Hauptbahnhof wieder aktiviert werden müsse, fragte die Sozialpolitikerin Mandy Siegenbrink (Grüne) im Sozialausschuss. „Crack und Aggressionen – das Problem kann die Sicherheitspartnerschaft nicht lösen“, erklärte Karin Mechnich. „Die Polizei kann höchstens die Dealer festsetzen.“
Polizei und Stadt hatten vor wenigen Tagen die 2019 gegründete Sicherheitspartnerschaft beendet, weil die Etablierung einer offenen Drogenszene in Lübeck verhindert worden sei. Dazu habe maßgeblich die Begegnungsstätte unterhalb der Marienbrücke beigetragen, erklärten Polizei und Stadt. Die Zahl der Besucher in dem Treffpunkt sei 2024 um 77 Prozent gegenüber 2023 gestiegen, berichtete Karin Mechnich.
Das sei vor allem auf die verlängerten Öffnungszeiten zurückzuführen, sagte Mechnich. Es würden deutlich mehr Frauen in die Einrichtung kommen als in den früheren Treffpunkt tea & talk in der Wahmstraße. Neben dem Spritzentausch würden in der Begegnungsstätte auch Injektionsbestecke ausgegeben. Zudem komme einmal in der Woche das Gesundheitsmobil und es würden 30 bis 50 warme Mahlzeiten pro Tag ausgegeben.
Die Drogenberater befragen die Besucher auch regelmäßig nach ihrer Wohnsituation. „Es gibt eine zunehmende, versteckte Obdachlosigkeit“, sagt Karin Mechnich, „Menschen kriechen irgendwo unter.“ Davon würden zwei Drittel der Besucher berichten und vor allem betreffe die versteckte Obdachlosigkeit immer mehr Frauen.
Die Obdachlosenhilfe Lübeck spricht von 35 bis 40 Menschen, die draußen schlafen. Hinzu kämen 30 Wohnungslose, die bei jeder Tour des Herzenswärmebusses mit versorgt würden. Das sind jene Menschen, die keine Wohnung haben, aber bei Freunden oder Verwandten vorübergehend unterkommen. Jan Rühmling, Vorsitzender der Obdachlosenhilfe, geht von weiteren 60 bis 100 Obdachlosen aus, die gar nicht zum Herzenswärmebus kommen.