„Dass die Anwohnerinnen und Anwohner dieser guten Nachricht sehnlichst entgegengefiebert haben, kann ich total nachvollziehen. Wer möchte schon über Jahre direkt neben so einer Baustelle wohnen müssen?“, betont Rosin. Immer wieder war insbesondere Antonia Napp, geschäftsführende Direktorin des Theaterfigurenmuseums, in den vergangenen Jahren mit massiven Anwürfen aus der Nachbarschaft befasst. Für bestimmte Bauphasen hatte die Projektleitung Anwohnern sogar Ersatzquartiere angeboten
Doch nicht nur für das gesamte Kolk 17-Team sowie die Hansestadt habe sich dieser unglaubliche bauliche Aufwand gelohnt, sondern vor allem auch für die Nachbarschaft, versichert Nina Rosin. Denn: „Es bestand hier eine aktive Gefahr für den gesamten Kolk und die anliegenden Häuser. Alles drohte abzurutschen und einzustürzen. Wir haben tatsächlich Baulücken von 80 Zentimetern gefunden. Das war wirklich erschreckend“, zitiert sie aus den Baupapieren.
Es werde im kommenden März ein exklusives Eröffnungsevent für die gebeutelten Nachbarn geben – „einerseits natürlich als ein ganz großes Dankeschön, andererseits aber auch, um ihnen vor Ort zu zeigen, wie groß die Gefahr für ihre Häuser war. Jetzt ist das nachhaltig sicher“, verspricht sie. Die neu gesetzten Pfähle von zwölf bis 15 Metern Länge würden die Gebäude Kolk 18 mit dem Theater und Kolk 20/22 mit dem Museum stabil in Position halten. So sei das jahrhundertelange Abrutschen der Häuser in Richtung Trave endlich gestoppt.
Dass es mit dem exakten Eröffnungstermin unumstößlich klappen wird, erschließt sich beim Rundgang über die vitale Baustelle nicht unbedingt. Auf dieser herrscht nach wie vor ein sehr munteres Treiben, was sich auch akustisch widerspiegelt. Am Ende werden hier 89 Gewerke und mehr als 500 Menschen ein Gesamtkunstwerk geschaffen haben. Vom Archäologen über die Restauratorin bis zum Zimmerer. Besonders spannend ist der Blick ins sogenannte Herzstück von Kolk 17, dem zukünftigen Theatersaal. Hier sollen mal insgesamt 120 Zuschauerinnen und Zuschauer Platz finden.
„Schon in drei Wochen werden Sie hier den fertigen Saal mit Technik und Bestuhlung sehen“, prognostiziert Architekt Korkut Demirag, zuständig für den kompletten Innenausbau des Gebäude-Ensembles. „Das heißt also, dass hier noch wahnsinnig viel passieren wird.“ Dabei haben seine Sätze etwas Beschwörendes, da im momentanen Zustand eher die Leere im Raum prägend ist. Dieser frühe Fertigstellungszeitpunkt sei sehr, sehr wichtig – „daher ist auch Druck im Kessel. Schließlich benötigt das Figurentheaterspiel noch eine Adaption der Bühne“, betont er ausdrücklich.
Was das genau bedeutet, erklärt er auch: „Wir haben ja verschiedene Stücke im Repertoire, und die müssen noch für den Saal angepasst werden. Das betrifft die finalen Textilien, die Vorhänge, die Bühnenausstattung, die Kulissen und so weiter. Denn dieses Feintuning verträgt sich nicht mehr mit den staubigen Bauarbeiten. Das macht uns tatsächlich noch einiges Kopfzerbrechen“, gesteht er ein, während er mit zwei Kollegen zusammen steht. Dass dem direkt benachbarten, zukünftigen Museum noch das ganze Dach fehlt, scheint die Gruppe weniger zu stören. Deshalb wird auch der große, gelbe Kran wohl noch eine Weile auf der Baustelle stehen bleiben.
Dass die Archäologen während der Bauphase auf das wohl älteste profane, also nicht religiösen Zwecken dienende Haus der Hansestadt gestoßen sind, ist nicht nur für die Kolk 17-Sprecherin eine echte Sensation. Um diesem auf die Spur kommen zu können, geht es eine steile Steintreppe hinunter, in den Keller von Kolk 14, dem aktuellen Technikraum.
„Wir stehen ja jetzt unter der Erde, aber im Jahr 1170 waren wir hier auf Straßenniveau“, sagt Nina Rosin. Als man das hier freigelegt habe – dabei zeigt sie auf die hintere Ecke – sei man auf alte Backsteine gestoßen. „Die Archäologen haben schon vermutet, dass die Steine ziemlich alt sind. Die genaue Analyse ergab dann 1170, also eine Zeit identisch mit dem Bau der Petrikirche“, berichtet sie. Die Vermutung liege entsprechend nahe, dass hier der damalige Bauleiter gewohnt habe. Zur denkmalgerechten Sanierung wurden dann historisch korrekte Klosterformatsteine benötigt, und 30.000 davon hat man extra nach historischer Rezeptur gebrannt. „Viele Lübeckerinnen und Lübecker haben sich immerzu gefragt, warum die nicht fertig werden“, sagt Rosin. Wer jedoch die ganzen Details kenne, wundere sich gar nicht mehr.