Als „brandgefährlich“ kritisiert der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Jörn Puhle diesen Personaldeckel. Puhle verweist auf den dringenden Personalbedarf beim Jugendamt, das in den nächsten fünf Jahren 33,5 Stellen mehr benötigt. 2026 sollten acht neue Sozialpädagogen eingestellt werden.
Bei einer dauerhaften Unterbesetzung würden Zustände drohen, in denen die Stadt ihren Pflichten nicht ordnungsgemäß nachkommen könne. „Eine Kindeswohlgefährdung ist dann nicht ausgeschlossen“, warnt der jugendpolitische Sprecher der SPD. „Der Personalstopp ist nicht zu verantworten“, sagt Bürgermeister Lindenau.
„Wenn keine neuen Kolleginnen und Kollegen dazu kommen, wird sich die Situation der Verwaltung weiter verschärfen“, warnt auch der Vorsitzende des Gesamtpersonalrats, Kai Neumann, „die Verwaltung wird dann keine zusätzlichen Aufgaben mehr erledigen können.“ Gregor Voht (Freie Wähler) bezeichnet das „Einfrieren des Stellenbestands als absolut falsche Maßnahme“. Der Staat sei dann nicht mehr handlungsfähig.
In zehn JahrenCDU, Grüne und FDP weisen diese düsteren Prophezeiungen zurück. In den vergangenen zehn Jahren sei die Stadtverwaltung um 1160 Stellen gewachsen, rechnet der CDU-Finanzexperte Bernhard Simon vor. Neue Stellen im Jugendamt, im Ordnungsamt und beim Gebäudemanagement könnten problemlos besetzt werden, wenn gleichzeitig an anderer Stelle in der Verwaltung auf Stellen verzichtet werde, erklärt Grünen-Co-Fraktionschef Axel Flasbarth.
27 zusätzliche Stellen hatte das städtische Gebäudemanagement angemeldet. Das habe aber schon 440 Stellen, sagt der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Ulrich Brock. „Seit 2015 wurden 150 neue Stellen aufgebaut.“ Personalkosten machen gut 25 Prozent des 1,34-Milliarden-Haushalts der Stadt aus. FDP-Fraktionschef Thorsten Fürter sagt: „Wir bringen den Personalzuwachs zum Stillstand.“
Ausnahmen von der Deckelung sind möglich, wenn „neu zu schaffende Stellen zu mindestens 75 Prozent durch Zahlungen Dritter finanziert werden“ und wenn „zusätzliche Stellen durch den gleichzeitigen Wegfall bisher zugekaufter, teurerer Leih- oder Honorarkräfte entstehen und somit zu nachweisbaren Kosteneinsparungen im Haushalt führen.“Seit Monaten liegt die Rathausmehrheit aus CDU, Grünen und FDP mit dem Bürgermeister wegen seiner Personalpolitik im Clinch. Im Juni verweigerten die drei Fraktionen neue Stellen für Datenschutz und Personalmanagement.
Härtester EingriffZugleich bekommen die Lübeckerinnen und Lübecker die Personalnot der Verwaltung zu spüren. Denn etliche bereits beschlossene Stellen können nicht besetzt werden. Das führt bei der Grundsicherung, der Wohngeldbehörde oder dem Ausländeramt zu langen Wartezeiten für die Bürger.
Posten für Ärztinnen im Gesundheitsamt oder bei der städtischen Informationstechnologie und in den Sozialbehörden müssen laut Personalbericht mehrfach ausgeschrieben werden, bevor sich jemand findet. Nach Angaben von CDU-Fraktionschef Christopher Lötsch sind bis zu 500 Stellen unbesetzt, davon 165 mehr als ein Jahr.
Der Stellendeckel von CDU, Grünen und FDP ist die härteste Personalmaßnahme seit 2005. Damals hatte Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) das Programm „Minus 500“ aufgelegt, um Stellen in der Verwaltung abzubauen.