Protest in Eutin gegen
neue Verkehrsregelungen
Tempo 30 in Riemannstraße willkommen, aber Unterschriftenaktion wegen Änderungen bei Vorfahrt und Radweg

Trotz Verbots: Die beiden Radler fahren nicht – wie neuerdings vorgeschrieben – auf der Fahrbahn, sondern nutzen lieber den breiten Fußweg.Fotos: privat
Eutin. Dass in der Eutiner Riemannstraße seit wenigen Wochen durchgehend Tempo 30 gilt, begrüßen die meisten Anwohner ausdrücklich. Aber mit weiteren, damit einhergehenden Änderungen sind sie überhaupt nicht einverstanden. Das gilt für die neue Rechts-vor-links-Regelung ebenso wie für die Neuerung, dass Radfahrer die Fahrbahn nutzen müssen. Die Anwohner fordern, die Maßnahmen zurückzunehmen. Auch in der Sitzung der Stadtvertretung nahm das Thema breiten Raum ein.

268 Menschen haben sich in einem Brief an Eutins Bürgermeister Sven Radestock (Grüne) und die Kreisverkehrsbehörde gewandt. Initiatorin der Unterschriftenaktion ist die Eutinerin Antje Lück-Langer (auch Stadtvertreterin/Freie Wähler), die in der Straße Fissaubrück Praxisräume hat. Sie trug das Anliegen bereits vergangene Woche in den Hauptausschuss.

Seit 19. Juni gilt Tempo 30 in der Riemannstraße auch von Fissaubrück bis zum Kreisverkehr an der Schwimmhalle. Zuvor war dies nur vom Voßplatz bis zum Kreisverkehr der Fall. Die Neuerung ist das Resultat einer Verkehrsschau im April, an der die Stadt, die Kreisverkehrsbehörde, die Polizeidirektion Lübeck und der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr teilgenommen haben.

Danach sind die Schilder „Radfahrer frei“ auf dem Gehweg entfernt worden. Die Fußwege sollen ausschließlich von Fußgängern genutzt werden und Radfahrer auf der Straße fahren. Davon versprechen sich Stadt, Kreis und Polizei mehr Sicherheit für beide Gruppen. „Der Autoverkehr soll vorwiegend über die Kern- und Westtangente fließen. Die Riemannstraße war nie als Durchgangsstraße gedacht“, sagte der Bürgermeister im Ausschuss.

„Ich habe in den vergangenen Wochen etliche Fast-Unfälle beobachtet“, berichtete Antje Lück-Langer. Sie habe mit vielen Menschen gesprochen, denen ähnliche Vorkommnisse aufgefallen seien. „Tempo 30 wird überall grundsätzlich gutgeheißen. Aber die ‚Rechts-vor-links-Regelung‘ geht gar nicht“, sagte Lück-Langer. Die Riemannstraße sei vom baulichen Charakter her eine Hauptstraße. Die neue Regelung führe zu Irritationen bei Verkehrsteilnehmern und zu unklaren Situationen vor Ort. „Unfälle sind hier programmiert“, sagte Lück-Langer.

Die Eutinerin hat die Lage in der Riemannstraße mit vielen Fotos dokumentiert und sie mit der Unterschriftenliste zusammen abgegeben. Sie hält darin fest: „Die meisten Radfahrer nutzen weiterhin den ehemals kombinierten Fuß-/Radweg auf der linken Seite stadteinwärts, der auf weiten Strecken auch breit genug ist, um als Fahrradweg markiert werden zu können.“

Lück-Langers Feststellung: „Einige Radfahrer fahren auf der Straße, geben aber bald auf – spätestens an den Verkehrsberuhigungsinseln, die für sie auch ein Hindernis darstellen – und wechseln dann auf den rechten Fußweg stadteinwärts.“ Sicherheit und Abstand zu Radfahrern sei unmöglich zu gewährleisten in einer Straße, die aufgrund der Verkehrsberuhigungsinseln und der Parkflächen fast an keiner Stelle einen gleichzeitig fließenden Gegenverkehr erlaube.

Der Sprecher des Kreises Ostholstein, Simon Bosk, bestätigt den Eingang der Unterschriftenliste bei der Verkehrsaufsicht. Bis zur abschließenden Prüfung der Liste könnten keine konkreten Aussagen gemacht werden, teilt er mit.

Grundsätzlich sei zur aktuellen Situation in der Riemannstraße Folgendes zu sagen, so Bosk: Die Verkehrsberuhigung der Straße werde nicht zurückgenommen, und in einer Tempo 30-Zone gelte an den Einmündungen grundsätzlich rechts vor links.

Auch müssten laut Straßenverkehrsordnung Radfahrer dort immer die Straße nutzen. Bosk verweist darauf, dass das Fahren auf dem Gehweg per se verboten sei, nur für Kinder gebe es eine Ausnahme. Der Kreissprecher kündigt an, dass noch Piktogramme auf der Fahrbahn aufgebracht und größere Schilder aufgestellt werden.

Viele Autofahrer tun sich schwer mit der Neuregelung, das ist täglich zu beobachten. Johannes Ellmann wohnt in der Riemannstraße gegenüber der Einfahrt zur Jahnhöhe. Er berichtete vor der Stadtvertretung von einem „wahnsinnigen Getümmel. Für Handwerker ist die Riemannstraße morgens eine Ausfallstraße. Für Kinder und Jugendliche auf dem Weg zur Schule ist sie eine Einfallstraße - sie werden fast vorsätzlich in lebensgefährliche Situationen gebracht.“ Ellmann schimpfte: „Die Radfahrer werden benutzt, um den Verkehr zu beruhigen.“

Das wies der Bürgermeister zurück. „Die Neuregelung ist Folge einer Verkehrsschau“, betonte er nochmals. „Die Straße ist geeignet, wie eine Wohnstraße behandelt zu werden. Es stimmt, es gibt im Moment noch einige Schwierigkeiten, weil sich viele Menschen noch nicht umgewöhnt haben.“ Radestock kündigte Geschwindigkeitsmessungen an. „Und wir werden blitzen, sodass es im Geldbeutel weh tut.“

Dr. Kerstin Schwartau (Grüne) regte eine Ausnahmeregelung an, sodass Radler wieder den Fußweg nutzen dürfen. Matthias Rachfahl (CDU) sagte dazu: „Wir haben Gesetze und Vorschriften. Aber wir müssen auch auf die Realität reagieren.“ Ulrike Benthien
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