Appell von Bürgermeistern in Kiel
Die Bäderbahn soll erhalten bleiben: Die Verwaltungschefs von vier Gemeinden in Ostholstein fordern ein Umdenken der Landesregierung

Stopp der sogenannten Bäderbahn am Bahnhof von Timmendorfer Strand. Die Gemeinde möchte diese Anbindung unbedingt behalten.Foto: Lutz Roessler
Kiel/Ostholstein. Die Landesregierung macht den Anfang in dieser Sitzung des Wirtschaftsausschusses des schleswig-holsteinischen Landtages, in der die Entwicklung der Bäderbahn in Ostholstein als erster Punkt auf der Tagesordnung steht. Susanne Henckel, parteilose Staatssekretärin für Verkehr, geht auf die Entscheidung der Bahn ein, die Bäderbahn nun doch bei Ratekau und nördlich von Haffkrug über Weichen an die neue Trasse anzubinden und die Strecke betriebsbereit zu halten. „Das war nicht mit uns abgestimmt. Wir sind weiterhin dabei, den Nahverkehr ausschließlich auf der Neubaustrecke zu bestellen“, sagt Henckel.

Aus ihrer Sicht bietet diese „attraktive Lösung“ offenbar zahlreiche Vorteile: Sie sei umsteigefrei und elektrisch angetrieben, biete ausreichend Kapazitäten und eine reduzierte Fahrtzeit – „in 60 Minuten von Hamburg nach Scharbeutz“.

Anschließend sind vier Bürgermeister aus dem südlichen Ostholstein an der Reihe. Sie wollen, dass das Land den Nahverkehr auf der alten Bäderbahn-Strecke bestellt. Bettina Schäfer, parteilose Bürgermeisterin von Scharbeutz, wiederholt ihren Vorschlag, die Bäderbahn hinter dem Bahnhof Scharbeutz und der B432 an die neue Schienentrasse zu verschwenken und sie dann wieder auf dem alten Gleis der Bäderbahn bis nach Sierksdorf und Neustadt zu führen. Andernfalls fürchtet Schäfer den „blanken Horror“ für ihre Gemeinde.

Der Bau der Hinterlandanbindung zum Fehmarnbelttunnel werde Natur und Menschen im Kreis zerstören, sagt Schäfer. Angesichts der zu erwartenden Zugzahlen werde auch die Bäderbahn zurückkehren, und das bedeute für die Gemeinde Scharbeutz: „Vier Bahnhöfe, wobei die beiden in Scharbeutz 300 Meter und die in Haffkrug 80 Meter auseinander liegen.“ Haffkrug werde besonders betroffen sein: „In einem Korridor von 100 Metern sind dann in einem kleinen Fischerort Bäderbahn, Hinterlandanbindung, Autobahn, 380-kV-Leitung und 110-kV-Leitung.“

Sven Partheil-Böhnke (FDP), Bürgermeister von Timmendorfer Strand, nennt die Zahl von durchschnittlich 1400 Fahrgästen täglich für den Bahnhof in seiner Gemeinde. Der soll wegfallen,die Gemeinde künftig über den neuen Bahnhof in Ratekau angebunden sein. „Wie will man all diese Menschen mit Bussen nach Timmendorf transportieren?“, fragt er. „Wir haben jetzt schon ein überlastetes Straßennetz. Die Verkehrswende können wir so nicht umsetzen.“ Ökonomisch und ökologisch sei es „ein Wahnsinn, die zweitwichtigste Strecke in Schleswig-Holstein stillzulegen“.

Man vergebe eine Riesen-Chance, sagt auch der Ratekauer Bürgermeister Thomas Keller (parteilos). „Die Diskussion über die Bäderbahn läuft seit 16 Jahren – und wo stehen wir jetzt eigentlich?“, fragt Keller. In den Gemeinden herrsche Unsicherheit. „Im nächsten Frühjahr sollen wir den Planfeststellungsbeschluss bekommen – aber wir haben noch gar nicht mit der Bauleitplanung für die Bahnhöfe angefangen“, berichtet Keller – weil verlässliche Informationen fehlten. Der Sierksdorfer Bürgermeister Udo Gosch (SPD) plädiert für eine gemeinsame Problemlösung, die Bäderbahn werde dringend benötigt.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Niclas Dürbrook findet: „Das ist eine sehr merkwürdige Situation.“ Er hat gemeinsam mit Sandra Redmann (ebenfalls SPD) beantragt, die Bäderbahn auf die Tagesordnung zu setzen. „Es wird eine Bahnstrecke vorgehalten, das Land will dort keinen Zugverkehr bestellen, und Scharbeutz muss neue Bahnhöfe planen, während man die alten weiterhin an der funktionalen Trasse hat.“

Von einer „unhaltbaren Situation für die Menschen vor Ort“ spricht die SSW-Abgeordnete Sybilla Nitsch: „Da haben Leute die Pläne geschrieben, die noch nie im Sommer in diesem Orten waren“, glaubt sie und regt an, den„Letter of Intent“ (LOI, eine Absichtserklärung) von 2014 zu ändern. In diesem LOI haben vor elf Jahren die damalige Landesregierung und die Deutsche Bahn vereinbart, dass sämtlicher Personennahverkehr auf der Schiene auf der neuen Trasse erfolgen werde. Damit sollte auch ausgeschlossen werden, dass Güterzüge über die alte Bäderbahn-Strecke fahren. Das sei technisch allerdings ohnehin nicht möglich, erklärt die Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn, Ute Plambeck.

„Bei mir bleibt das Verständnis: Die beste Situation ist der Erhalt der Bäderbahn“, folgert Nelly Waldeck (Grüne), „aber schafft man es, von diesem LOI wieder abzurücken?“ Nein, meint Staatssekretärin Henckel. Eine Aufkündigung des LOI würde eine „Kaskade“ beim Bund auslösen, die ihrer Meinung nach nicht riskiert werden solle.

„Rumgeeiere können wir uns nicht erlauben“, mahnt Thomas Keller am Ende. Sie habe „das hier als strategisch empfunden“, sagt Bettina Schäfer, „aber mit der Realität hat das nichts zu tun“. Sie bittet: „Lassen Sie uns so planen, dass wir die Akzeptanz in den Orten haben – und machen Sie uns nicht kaputt.“ Sabine Jung
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