Der besondere Übungstag macht Sinn: Die fast schon sprichwörtliche Katze vom Baum zu holen oder andere Kleintiere aus misslichen Lagen zu befreien, sei meist kein Problem, erklärt Gemeindewehrführer Thomas Scharbau. Zur Not werde improvisiert. Aber Pferde oder Rinder seien schon eine andere Herausforderung. „Das muss man trainieren.“ Deutlich wurde dies, als die Wehr vor zwei Jahren half, eine Kuh und ihr Kalb aus einem Schlammloch in der Aalbeek-Niederung zu befreien, betont Scharbau. Seither beschäftige er sich intensiver mit dem Thema. „Wir haben miterlebt, wie rustikal diese Rettungsaktionen manchmal ausgeführt werden“, sagt er. Im Internet würden sogar Videos gezeigt, wie Kühe nur an einem Strick um Hals aus dem Sumpf gezogen würden.
Angesichts solcher Bilder habe er gedacht: „Das muss auch schonender und tiergerechter gehen.“ Auf der Suche nach einer Lösung sei er schnell fündig geworden. Der Hauptfeuerwehrmann Michael Böhler aus Bordesholm bietet in Norddeutschland Lehrgänge für die technische Großtierrettung an. Kurzerhand engagierte die Wehr den zertifizierten ComCavalo-Trainer. Und dieser konfrontiert die Kursteilnehmer nach einer kurzen theoretischen Einführung im Halbstundentakt mit realistischen Übungen. Der wichtigste erste Schritt sei, wie bei jedem anderen Einsatz auch, die Eigensicherung, erläutert Böhler. So müssen die Helfer stets darauf achten, nicht in die „Kickzone“ des verunglückten Tieres zu geraten. Zur Demonstration dieses Gefahrenbereichs bewegt er die Beine des Pferdedummys namens „Hope“. „Wenn ein Pony erschrickt, plötzlich ausschlägt und Euch die Hufe treffen, besteht erhebliche Verletzungsgefahr“, warnt Böhler.
Aus diesem Grund halte man prinzipiell einen Sicherheitsabstand ein. Einem liegenden Tier nähere man sich am besten von der Rückseite. Idealerweise sei auch ein Tierarzt vor Ort, der die Situation fachkundig einschätzen und das Tier mit Beruhigungsmitteln versorgen könne. Am Lehrgang nimmt auch der Veterinär Dr. Michael Feilke von der Pferdeklinik Eutin-Fissau teil.
Dann kommt „Hope“ zum Einsatz. In einer ersten Übung lernen die Feuerwehrleute, wie mittels einer gebogenen Einfädelstange und speziellen Hirtenstäben zwei Gurte unter den Rumpf geführt und um die Beine geschlungen werden. Für das Drehen über den Rücken oder das Ziehen über die Seite gebe es verschiedene Ansatzpunkte, erläutert Böhler. Um ein liegendes Tier möglichst schonend über den Boden zu ziehen, kommen sogenannte Schleifplatten zum Einsatz. Die miteinander verbundenen Kunststoffelemente gleiten trotz des darauf liegenden Gewichtes fast reibungslos über den Boden und schützen das Tier vor harten Schlägen.
Ein weiteres Szenario: Ein Autogespann kommt in Folge eines Auffahrunfalls mit Vollbremsung ins Schleudern. Das Pferd auf dem Anhänger stürzt und kann nicht wieder aufstehen. Die Erkundung der Lage sollte vorsichtig geschehen, sagt Böhler. „Die Klappe am Heck ist erstmal Tabu.“ Sofern Kameras verbaut seien, sollten sich die Helfer damit einen ersten Überblick verschaffen. Andernfalls die Türen nur vorsichtig und spaltweit öffnen. Sobald die Lage geklärt und das Tier im Übungsmodus ruhig gestellt ist, werden die erlernten Techniken eingesetzt. Nach einer Viertelstunde liegt der Pferdedummy sicher auf der Gleitmatte hinter dem Anhänger.
Bei der letzten Herausforderung des Tages verwandelt sich „Hope“ dann in Pegasus. Weil alle anderen Rettungswege versperrt sind, „fliegt“ das Kunststoffpferd, das mittels spezieller Gurte und einer Balkentraverse an den Drehleiterkopf angehängt wird, hoch durch die Luft. Weil dieser Transport mit Risiken und Stress für alle Beteiligten verbunden sei, sollten derart spektakuläre Aktionen nur im äußersten Notfall erfolgen, betont Böhler. Gut vorbereitet sind die Timmendorfer Wehren nun trotzdem auch darauf.