Hoyer arbeitet für die JobB GmbH in Oldenburg, kümmert sich um das von der EU und dem Bundesfamilienministerium geförderte Projekt „Jugend stärken: Brücken in die Eigenständigkeit“. Konkret heißt das gerade: Sie macht 16- bis 27-Jährige aus Ostholstein fit für die erste eigene Wohnung. Vor allem für den Weg bis zum unterschriebenen Mietvertrag.
Für Elias, Fiona, Ousman oder Julia, alle Teilnehmer des Workshops, ist das kein Selbstläufer. Denn das Angebot an Wohnungen ist begrenzt, nur ein Teil für junge Menschen überhaupt bezahlbar. Die meisten wollen schnell in größere Städte ziehen. Vermieter haben überall die Wahl: Wer sich nicht optimal präsentiert, sucht lange vergebens.
Dabei ist Wohnen ein Menschenrecht, etwa verankert im UN-Sozialpakt von 1966. Im Grundgesetz taucht es verklausulierter, aber nicht weniger verbindlich auf. Nur sieht die Realität oft anders aus. Auch das von der Ampel 2021 wiedereingeführte Bundesministerium für Wohnen und Bauen hat daran nichts grundlegend geändert, weder im ganzen Land, noch hier im Kreis.Absolute Zahlen, wie viele Menschen in Schleswig-Holstein von Wohnungslosigkeit betroffenen sind, gibt es nicht.2023 haben etwa 9400 Menschen das Angebot der ambulanten Hilfe der Diakonie wahrgenommen. „Doch die Dunkelziffer ist hoch“, sagt Janek Köhler, Projektleiter von „Jugend stärken“.Aber im kostenlosen Nachmittagskurs wird von 16 bis 19 Uhr nicht gejammert, sondern mitgemacht. Annika Hoyer erklärt, wonach Vermieter fragen dürfen − und wonach nicht. Vorher wurden grüne und rote Karten verteilt. Wie sieht’s also aus mit Fragen nach Beziehungsstatus, Religion und Haustieren? Meist sind die richtigen Karten schnell in der Luft.
Ehrlicherweise dürften auch langjährige Mieter beim in der Folge diskutierten Detailwissen kaum mehr Ahnung haben, als die interessierten Debütanten im Seminarraum. Hoyer und ihr Kollege Stefan Hohleweg machen einen guten Job, setzen entspannt auf Augenhöhe. Sie fragen regelmäßig nach, ob alle alles verstanden haben, motivieren die ganze Gruppe. Die Stimmung ist gut. Gemeinsam mit Projektleiter Köhler und ihrem Kollegen Carsten Wendt von JobB haben sie die fünf Module als interaktive Workshops entwickelt, vermitteln die Inhalte über Diskussionen und mit Rollenspielen, stärken Selbstbewusstsein. Themen sind Mietverträge, Nebenkostenabrechnungen, Hinweise und Regeln zu Mitbewohnern, praktische Tipps für den Umgang mit der Nachbarschaft und die Wohnungssuche.
Die Trainingskurse werden noch bis zum 11. April auch in Oldenburg und in Neustadtangeboten, dann gibt’s den Wohnführerschein, ein offizielles Zertifikat.Was erhoffen sich die Kursteilnehmer davon? Fiona ist 18 und macht gerade eine Ausbildung zur Rettungssanitäterin. Sie sagt: „Es gibt oft Zweifel an den jungen Leuten.“ Im Sommer braucht sie eine eigene Wohnung. Dafür will sie möglichst viel wissen, auf alles vorbereitet sein.
Julia Schlüter ist 25 und möchte bald nach Hamburg ziehen, wegen ihrer Ausbildung. Sie lebt noch bei den Eltern und will ihre beiden Katzen mitnehmen. Für Mietkosten plant sie 400 bis 500 Euro ein, die Hälfte ihres Lohns. Ihr Ziel: „Ich möchte stolz sein auf das, was ich dann erreicht habe.“