Wird Baden in der Ostsee durch immer höhere Wassertemperaturen zum Risiko? Satellitenbilder zeigen, dass sich in den vergangenen Tagen vor Ostholstein, insbesondere vor Fehmarn, sowie vor der gesamten mecklenburgischen Küste große Blaualgen-Teppiche gebildet haben. Noch haben sie die Strände nicht in vollem Umfang erreicht, dennoch gab es gestern wieder Badewarnungen in Ostholstein. Und die Dimensionen dieser Teppiche scheinen neu zu sein.
Biologe und Umweltschützer Frank Schweikert von der Deutschen Meeresstiftung in Hamburg sagt: „Wir waren schon letzte Woche in den ostholsteinischen Gewässern vor Niendorf mit unserem Forschungsschiff ‚Aldebaran‘ unterwegs und haben dort massive Vorkommen von Cyanobakterien – die korrekte Bezeichnung für Blaualgen – vorgefunden. Das waren so richtig graue Schleier.“ Vom optischen Eindruck her sei es die größte Blüte gewesen, die er bisher in der Ostsee gesehen habe.
Eine Entdeckung des Warnemünder Leibniz-Instituts für Ostseeforschung (IOW) dürfte die Lage noch brenzliger machen: Mikrobiologe Matthias Labrenz vom IOW erklärt: „Wir haben festgestellt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Vibrionen auftreten, steigt, wenn die Blaualgen nach ihrer Blüte absterben.“ Was nachvollziehbar sei, da sich die Vibrionen von den kleinsten Zellbestandteilen der abgestorbenen Blaualgen ernähren – dem sogenannten„Marine Snow“. Experten raten daher älteren und immungeschwächten Menschen vom Baden in der Nähe von Blaualgenmatten ab.
Kurzzeitige Badewarnungen wegen Blaualgen gab es in Ostholstein schon in den vergangenen zwei Wochen, unter anderem rund um Grömitz. Die gelbe Flagge wird dann gehisst, wenn sich die Bakterienfracht bedrohlich dem Strand nähert. Gestern war das an den Stränden auf Fehmarn und in Neustadt der Fall. „Am Montagvormittag wurden die gelben Flaggen gehisst, weil die Blaualgen erstmals in diesem Jahr im Badebereich angeschwemmt wurden“, sagt Fehmarns Tourismuschef Oliver Behncke.
Besonders alarmiert seien die Badenden allerdings bisher nicht. „Die Sorge ist nicht zu groß, es handelt sich ja um ein übliches Naturphänomen.“ Dennoch gilt Vorsicht: Beim Kontakt über die Haut oder durch Verschlucken von Wasser kann es zu schweren gesundheitlichen Folgen kommen. In schlimmeren Fällen können auch Gliederschmerzen, Ohrenschmerzen oder Atemwegserkrankungen auftreten.
„Wir verzeichnen derzeit große Matten von Blaualgen in der Ostsee“, sagt auch die Umweltwissenschaftlerin Helmke Hepach vom Geomar Helmholtz-Institut für Ozeanforschung in Kiel. „Blaualgen mögen es warm, und die Ostsee hat sowohl in der Lübecker Bucht als auch vor der mecklenburgischen Küste überall die 20-Grad-Celsius-Marke erreicht.“
Meeresschützer Schweikert warnt dennoch vor zu großem „Alarmismus“. Schließlich gebe es 2000 Cyanobakterien-Arten, und nicht jede Art gebe Giftstoffe ins Wasser ab. „Uns sollte vielmehr beschäftigen, dass uns aufgrund des Klimawandels enorme Hitzewellen in den Meeren bevorstehen.“ Dies gepaart mit dem Grundproblem, also die Einleitung von Düngeresten aus der traditionellen Landwirtschaft, sei besorgniserregend. Denn steigende Temperaturen und zu vielen Nährstoffen im Wasser beschere die hohe Biomasseproduktion in der Ostsee – wie momentan die Blaualgen.