Als Grund für seinen plötzlichen Rückzug nennt er, „dass Eutin nicht von der Stelle kommt, weil alle unverrückbar auf ihren Positionen verharren“. Auch, dass alle Warnungen des Kämmerers und der Kommunalaufsicht in den Wind geschlagen würden, entsetzt ihn. „Was ist an dem Satz ‚Wir haben kein Geld‘ nicht zu verstehen?“
Erst im Januar 2023 ist Andreas Zabel, von Beruf Chirurg, Mitglied der CDU geworden. Bei der Kommunalwahl im Mai darauf trat er als Direktkandidat an und gewann seinen Wahlkreis. Die Fraktion bestimmte einstimmig, ihn für das Amt des Bürgervorstehers zu nominieren. Zabels Erwartung damals: „Das ist eine Position, um etwas Gutes zu bewirken.“ Ein Parteibuch halte er in der Kommunalpolitik für gar nicht so entscheidend. Er sagte: „Es gibt doch ein gemeinsames Ziel: für Eutin etwas zu erreichen.“ Und schon damals trieb ihn eine Sorge: „Wir dürfen nicht Gefahr laufen, dass die Stadt sich grenzenlos überschuldet.“
Seine Bedenken um Eutins Finanzen sind immer größer geworden. Denn: „Seit einem Dreivierteljahr sagt uns Kämmerer Torsten Bruhn, wie schlecht die finanzielle Lage ist, genauso wie die Kommunalaufsicht. Kaum sind ihre Worte verhallt, geht es mit Forderungen wie zuvor los. Es ist eine arrogant anmutende Ignoranz, mit der finanzielle Warnungen übergangen wurden. Ich habe dafür überhaupt kein Verständnis.“ Zabel verweist auf die Kostenexplosion beim Neubau der Spielstätte für die Eutiner Festspiele. „Ich befürchte ein ähnliches finanzielles Fiasko bei der Feuerwehr.“Der ehemalige Bürgervorsteher sagt: „Ich kneife nicht. Aber ich habe resigniert.“ Seit dem vergangenen Sommer höre er mantraartig immer die gleichen Sätze aus den Fraktionen. „Keiner ist bereit, auch nur eine Handbreit auf den anderen zuzugehen.“ Frustriert fragt er: „Was haben wir denn geschafft? Wir haben es in einem Jahr nicht mal erreicht, eine Behindertentoilette einzurichten.“
„Machtspiele“ wirft er den politischen Parteien in Eutin vor. „Man müsste Charaktere austauschen, wenn man vorankommen will. Einige sitzen schon viel zu lange auf ihren Stühlen“, sagt Andreas Zabel. Die Stadt Eutin stehe bei den wenigsten im Vordergrund. „Es geht um eigene Befindlichkeiten. Da werden Kleinigkeiten ganz hoch gehängt. Ich habe mich gefragt, in was für einen Film bin ich da hineingeraten“, schildert er. Dass er als Bürgervorsteher hofiert wurde, sei ihm „unangenehm und peinlich“ gewesen.Zabels Bilanz nach einem Jahr Bürgervorsteher: „Ich bin dankbar, dass ich das Amt und viele Menschen habe kennenlernen dürfen. Ein kleines bisschen enttäuscht bin ich von mir, dass es mir nicht gelungen ist, von meinen Intentionen etwas weiterzugeben, und dass ich bei den Stadtvertretern nicht durchgedrungen bin.“
Den Zeitpunkt von Zabels Rücktritt bezeichnet der CDU-Fraktionsvorsitzende Matthias Rachfahl zwar als „überraschend“. Man habe aber schon länger Zabels „innere Zerrissenheit gespürt“, so Rachfahl. „Es ist sehr schade. Er hat als Stadtvertreter seine politische Meinung stark vertreten. Doch solche Entscheidungen trifft jeder für sich selbst.“ Als Stadtvertreterin werde Elgin Lohse nachrücken. Die CDU werde als stärkste Fraktion zudem einen neuen Bürgervorsteher aus ihren Reihen vorschlagen, kündigt Rachfahl an.
Solange kein Nachfolger beziehungsweise keine Nachfolgerin gewählt ist, wird Zabels Stellvertreter Reinhard Sohns (Grüne) das Amt des Bürgervorstehers übernehmen. „Ich bedaure den Rücktritt von Andreas Zabel“, sagt er. „Ich schätze ihn persönlich sehr, zwischen uns bestand immer ein vertrauensvolles Miteinander“, erklärt Sohns. Der Rücktritt sei aus Zabels Sicht gewiss konsequent, „er ist eben geradlinig“. Die Argumente Zabels für diese Entscheidung teile er jedoch nicht, sagt Reinhard Sohns. „Die Stadtvertreter sind alle Ehrenamtler, und nicht jeder und jede hat für alles Kompetenzen.“ Bei Fachfragen könne man jedoch auf die Unterstützung der Verwaltung und, wenn nötig, auf die Beratung durch externe Experten zurückgreifen.
„Wir versuchen, gute Arbeit zu leisten“, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende Uwe Tewes. „Ich würde das nicht negativ sehen.“ Er habe die Arbeit von Andreas Zabel stets positiv erlebt. Zurückhaltend äußert sich auch der Eutiner Bürgermeister Sven Radestock (Grüne): „Mich hat der Rücktritt überrascht. Wir haben gut zusammengearbeitet, deswegen bedaure ich es sehr.“