„Was können wir tun?“ Mit dieser Frage sieht sich Dorit Ernst, ausgebildete Pflegefachkraft und Pflegetrainerin, seit 2015 Beraterin beim Pflegestützpunkt in Eutin, täglich konfrontiert. Meist melden sich Angehörige, manchmal besorgte Nachbarn bei ihr. Seltener Senioren selbst. „Die Generation, die jetzt alt ist, hat es nicht gelernt, sich Hilfe zu holen. Auch sie anzunehmen, fällt ihnen schwer. Die Hemmschwelle ist groß“, sagt Dorit Ernst. „Wenn hier ein 90-Jähriger anruft, dann weiß ich, es steckt große Not und viel Leidensdruck dahinter “, sagt sie. Da gehe es beispielsweise darum, dass jemand nicht weiß, wie er noch die Treppe hochkommen oder es in die Duschwanne schaffen soll.
Die Beraterinnen vermitteln innerhalb ihres großen Netzwerkes Kontakte. „Wir lotsen“, nennt es Dorit Ernst. Ihr Appell an alle Ostholsteiner: „Jeder sollte sich überlegen, wie er sich aufs Alter vorbereiten kann. Wen kann ich ansprechen, wenn ich einsam bin? Wo gibt es Seniorengruppen? Wie finde ich eine Haushaltshilfe?“ Der Pflegestützpunkt halte für vieles Listen mit Ansprechpartnern bereit.
Die meisten Ratsuchenden, die sich an den Pflegestützpunkt wenden, sind Ehepartner oder Kinder alter Menschen. Mal geht es bei diesen um Akuthilfe, in der Mehrzahl hat ein schleichender Prozess zu einem eingeschränkten Gesundheitszustand geführt. Dorit Ernst berät gern in einem Familiengespräch mit der oder dem Betroffenen und den Angehörigen. „Dann überlegen wir zusammen, wie es weiter gehen kann“, sagt sie. Jeder Fall sei individuell.
Die erste Hürde ist es, einen Antrag auf Pflege zu stellen. Den Pflegegrad legt der Medizinische Dienst nach einer Begutachtung fest. „Das Ziel ist immer: ambulant vor stationär. Das entspricht in 90 Prozent auch dem Wunsch der Betroffenen“, berichtet Dorit Ernst.
Bei Pflegegrad 2 beispielsweise könne ein Pflegedienst bezahlt werden, der beim wöchentlichen Duschen helfe. In ihrem Zuhause können alte Menschen auch von einer Haushaltshilfe oder einer Alltagsbegleiterin unterstützt werden. „Unser Ziel ist, die Selbstständigkeit zu erhalten und die Pflege für Angehörige zu erleichtern“, erklärt die Beraterin. Für die Senioren sei die Hilfe zur Selbsthilfe bedeutsam. „Sie wollen gar nicht, dass ihnen alles abgenommen wird.“
Eine Hilfe für Menschen, die „beginnend tüdelig“ sind und ihre benötigten Medikamente nicht allein zuverlässig vornehmen – beispielsweise Diabetiker, die nicht allein ihren Blutzucker messen und sich Insulin spritzen können – kann die sogenannte Behandlungspflege durch einen Pflegedienst sein. „Diese verordnet der Hausarzt, die Krankenkasse trägt die Kosten“, erläutert Dorit Ernst.
Um das selbstständige Wohnen zu erleichtern, gibt es Möglichkeiten, das Wohnumfeld zu verbessern. Das kann etwa der behindertengerechte Umbau des Badezimmers sein. „Die Voraussetzung ist: Eine Einstufung ab Pflegegrad 1. Dann können Betroffene einen Zuschuss von maximal 4000 Euro bei der Pflegekasse beantragen“, sagt die Pflegeexpertin.
Welche Unterstützung pflegebedürftige Menschen, Menschen mit Demenz oder Behinderung erhalten können und welche Angebote, auch Finanzierungsmöglichkeiten es überhaupt gibt: Das wissen die erfahrenen Beraterinnen des Pflegestützpunktes, die aus Pflegekräften, Sozialarbeiterinnen und Krankenschwestern bestehen. Und sie helfen Ratsuchenden dabei, die dementsprechenden Formulare zu bekommen und Anträge auszufüllen.
Die Beratungen sind bei einem Termin am jeweiligen Standort des Pflegedienstes, telefonisch oder – bei immobilen Menschen – auf Anfrage auch bei einem Hausbesuch möglich. Sie werden immer mehr nachgefragt: Im vergangenen Jahr gab es 6331 Beratungen kreisweit. Die Gründe dafür sieht Dorit Ernst darin, dass der Pflegestützpunkt Ostholstein immer bekannter wird. „Aber auch im demografischen Wandel und im Pflegenotstand“, sagt sie.