Keller: „Niemand hat mit uns vorab das Gespräch gesucht. Das ist eine unsägliche Art, mit Nachbarn umzugehen. Ich fordere Bad Schwartau auf, von Planungen auf unserem Gemeindegebiet die Finger zu lassen.“
Die Strafpredigt hielt Keller jetzt im Projektbeirat des Dialogforums zur festen Fehmarnbeltquerung. Der Hintergrund: Im Zuge des Baus des Fehmarnbelttunnels baut die Deutsche Bahn auch eine neue Bahnstrecke, die sogenannte Schienenhinterlandanbindung. Bisher ist es geplant, dass sowohl der Personennahverkehr als auch der Güterverkehr durch die Stadt Bad Schwartau führen.
Die Belastung der Anwohner soll durch den Bau eines Troges, Lärm- und Erschütterungsschutz möglichst gering gehalten werden. Doch im Fachausschuss der Stadt Bad Schwartau wurde die Deutsche Bahn jetzt einstimmig aufgefordert, die Hinterlandanbindung als Umfahrung Bad Schwartaus zu prüfen. Der Grund ist, dass die Belastung Bad Schwartaus durch Güterzüge stärker sei, als bisher angenommen. So könnten nicht 20, sondern 210 Häuser nicht ausreichend vor Erschütterungen geschützt werden. Die alternative Route, die sogenannte X-Trasse, würde aber über Lübeck-Dänischburg und mehrere Kilometer durch Ratekauer Gebiet verlaufen.
„Bad Schwartau ist sehr bewusst, dass es beim Variantenvergleich nicht nur um den Schutz des Menschen geht, sondern auch um den Schutz der Umwelt, und dass auch nicht ein Schutzgut über dem anderen steht“, sagte Keller vor den Vertretern der Kommunen, der Bahn und der Landesregierung. Dass in Bad Schwartau mehr Menschen betroffen seien, sei schlimm genug, es bedeute aber nicht automatisch, dass eine andere Trasse, bei der weniger Menschen betroffen seien, die bessere Variante sei.
Dann blies der Bürgermeister zu Attacke. „Wie kann es sein, dass die Stadt Bad Schwartau selbst noch einen Bebauungsplan direkt an der Bahn macht, bei dem 57 Wohneinheiten unmittelbar an den Gleisen entstehen, und man sich dann danach beschwert, dass es für die Menschen dort zu laut wird.“
Und der Bürgermeister setzte noch einen drauf. „In Bad Schwartau haben sie ein Riesenproblem damit, dass die 380-kV-Leitung den Riesebusch überspannt, aber sie haben überhaupt kein Problem damit, eine zweigleisige Schienengütertrasse durch unser Naturschutzgebiet Sielbektal zu schieben“. Und: „Die Bad Schwartauer basteln sich selbst mit Halbwissen irgendwelche Gutachten zusammen, legen für sich den Raum fest, den sie brauchen, vermischen Erschütterung mit Lärmschutz und kommen dann am Ende zum gewünschten Ergebnis, dass Bad Schwartau die am stärksten betroffene Stadt ist.“
Kritik an den Bemühungen Bad Schwartaus für die Umfahrung kommt derweil auch aus Lübeck. „Diese Streckenvariante ist als eine von vielen verschiedenen Trassenvarianten bereits früh im Planverfahren verworfen worden – aus gutem Grund“, sagt Lübecks Bürgermeister Jan Lindenau (SPD). Aufgrund der erheblichen Arten- und naturschutzfachlichen Probleme, vor allem aber aufgrund des zu erwartenden Schienenlärms in den ohnehin schon belasteten Stadtteilen Siems und Dänischburg.
Die Bad Schwartauer Bürgermeisterin Katrin Engeln (Grüne) weist die harsche Kritik auf LN-Anfrage zurück. „Ich kann die Empörung auf emotionaler Ebene nachvollziehen, denn die Hinterlandanbindung ist ja für alle eine große Belastung. Auf sachlicher Ebene kann ich sie aber nicht nachvollziehen.“ Sicher hätte man vorher reden sollen, das schade nie, aber am Ende gebe es bisher nur den vorbereitenden Beschluss eines Ausschusses. Außerdem weise der nur darauf hin, dass die Planer das zu tun hätten, was sie sowieso tun müssten, nämlich „innerhalb der Planfeststellung die Trassenführung noch einmal zu überprüfen“.
Engeln: „Wir fordern da nichts Neues, die Überprüfung ist rechtlich festgeschrieben. Wir haben nur darauf hingewiesen, dass es aus unserer Sicht zu einer Trassenänderung kommen könnte.“ Und es sei ja eigentlich nett, wenn man vorab darauf hinweise.
Bei der Deutschen Bahn nimmt man die emotionale Debatte gelassen. „Wir haben eine vorzugswürdige Trasse durch Bad Schwartau“, sagt Bahn-Projektleiterin Jutta Heine-Seela. Klar sei aber ebenfalls: „Auch ohne die Diskussion werden die Varianten noch mal überprüft. Und wenn sich im Verfahren herausstellt, dass eine andere Lösung doch viel besser ist, müssen wir anpassen.“ Im Klartext: Die endgültige Entscheidung zur X-Trasse steht noch aus.