Neben der Ostküstenleitung, die von Göhl über Stockelsdorf nach Henstedt-Ulzburg führt, plant der Netzbetreiber Tennet auch Strom von Lübeck-Siems ins neue Umspannwerk einzuspeisen. Damit nicht genug. Das Stockelsdorfer Umspannwerk, das offiziell als Umspannwerk Lübeck-West bezeichnet wird, soll auch Ausgangspunkt für die neue Elbe-Lübeck-Leitung werden. Die rund 80 Kilometer lange 380-Kilovolt (kV)-Freileitung soll über ein neues Mega-Umspannwerk in Sahms (Kreis Herzogtum Lauenburg) bis zum Geesthachter Ortsteil Krümmel gehen.
Die Verantwortlichen in der Gemeinde Stockelsdorf sind von den Plänen alles andere als begeistert. „Wir wurden über den Verlauf der Leitung eher zufällig informiert“, sagt Bürgermeisterin Julia Samtleben (SPD). Und zwar im Rahmen einer Informationsveranstaltung des Netzbetreibers Tennet Ende September in Hamberge (Kreis Stormarn). Dort wurde auch der vorläufige Trassenverlauf präsentiert, der durchaus Stockelsdorfer Belange tangiert. „Die Informationen kommen durch die Hintertür und tauchen auch gar nicht im Entwurf des Regionalplans auf“, kritisierte auch Stockelsdorfs Bauamtsleiter Christian Ohm in der jüngsten Sitzung des Ausschuss für Umwelt, Bauen, Planung und öffentliche Sicherheit.
Die Planungen für den Trassenverlauf sind laut Bürgermeisterin Samtleben schon recht konkret. Nach Kenntnis der Gemeinde Stockelsdorf soll die 380-kV-Leitung parallel zu zwei bestehenden 110-kV-Leitungen verlaufen. Eine der bestehenden 110-kV-Leitungen soll, soweit technisch möglich, auf dem Mastgestänge der 380-kV-Leitung mitgeführt werden. Der Einsatz von Erdkabeltechnik ist für das Vorhaben nicht vorgesehen. Ausgangspunkt der Leitung ist das neue Umspannwerk bei Pohnsdorf. Demnach verläuft der mitgeteilte Suchkorridor westlich der L 184 vom Umspannwerk Stockelsdorf zwischen der Dorfschaft Eckhorst und dem Kernort im Bereich des Gewerbegebietes am Kreisverkehr zur Umgehungsstraße K 13.
„Dadurch sind wir erheblich betroffen, weil die zu planende Leitung deutlich dichter an die Dorfschaft Eckhorst rücken würde. Außerdem ist ein Teil der Flächen im Gewerbeflächenentwicklungskonzept der Gemeinde für die Entwicklung von zukünftigen Gewerbeflächen vorgesehen. Die bis zu 60 Meter hohen Masten würden zudem das Landschaftsbild nachhaltig beeinträchtigen“, moniert Samtleben. „Ich unterstütze die Energiewende und stelle die dritten Trasse nicht grundsätzlich in Frage, da die Notwendigkeit durch den Bundesnetzbedarfsplan festgestellt wurde. Ich verlange jedoch eine ergebnisoffene Prüfung aller möglichen Trassenverläufe. Zum Beispiel entlang der Autobahn A 20 und gegebenenfalls auch eine Leitungsmitnahme auf der Trasse Henstedt-Ulzburg-Stockelsdorf“, sagt Bürgermeisterin Julia Samtleben.
Bisher wurden noch keine weiteren Informationen geliefert. Laut Tennet sollen Anregungen und Wünsche der Gemeinde noch geprüft werden. An eine ergebnisoffene Prüfung glaubt die Bürgermeisterin allerdings nicht. So sei der Gemeinde im Vorfeld erläutert worden, dass alle anderen Trassenverläufe länger und damit unwirtschaftlich seien. Geprüft wurden laut Netzbetreiber wirtschaftliche, private, naturfachliche, technische und raumordnerische Belange. Für den festgelegten Korridor haben laut Tennet wirtschaftliche und private Belange am höchsten gewogen.
Aus Sicht der Gemeinde Stockelsdorf ist die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes im Kontext der Belastungen mit den anderen 380-kV-Leitungen, der Windkraft und dem Umspannwerk nicht ausreichend berücksichtigt worden. „Wir warten die zugesagten Informationen ab und werden unsere Interessen im weiteren Verfahrensverlauf aber geltend machen. Es müssen unsere wirtschaftlichen Interessen genauso wie die Interessen der betroffenen Anwohner den Interessen des Leitungsbetreibers gegenübergestellt und abgewogen werden. Es ist für mich unverständlich, warum ausschließlich ein Trassenkorridor betrachtet wird und warum eine Erdverkabelung grundsätzlich ausgeschlossen werden soll“, sagt Julia Samtleben.
Insbesondere im Hinblick auf die Silhouette Lübecks kann Samtleben den Ausschluss einer Erdverkabelung nicht nachvollziehen. „Wenn wir als Gemeinde etwas planen, müssen wir den Blick auf die Lübecker Türme auch immer berücksichtigen“, sagt Samtleben, die nun auch den Schulterschluss mit Lübeck als „starken Partner“ sucht, um einen akzeptablen Trassenverlauf bei der Planfeststellung durchsetzen zu können.