Stadtwerke-Umfrage:
Klimaschutz spaltet das Land
Lübecker Versorger hat über Civey 10.000 Bürger befragen lassen – Skepsis gegenüber Investitionen vor allem im Osten.

Die Zeiten, als Klimaschutz noch viele Bürger mobilisierte – hier eine Demo von Fridays for Future in Lübeck Anfang 2022 – sind auch in der Hansestadt vorbei.Foto: Lutz Roeßler
Lübeck. Polarisierte Gesellschaft: Etwa ein Drittel der Deutschen fordert mehr Investitionen in den Klimaschutz, genauso viele fordern weniger staatliche Investitionen in Klimaneutralität, nur ein Fünftel hält das aktuelle Niveau für ausreichend. Das geht aus einer Civey-Umfrage unter 10.000 Bundesbürgern hervor, die die Stadtwerke Lübeck in Auftrag gegeben haben.

Diese Polarisierung zieht sich durch die Regionen: Während in Schleswig-Holstein die Zustimmung zu mehr staatlichem Engagement nach Angaben der Stadtwerke deutlich überwiegt, ist in ostdeutschen Bundesländern die Skepsis gegenüber zusätzlichen Investitionen besonders ausgeprägt. Allerdings leben auch im Südwesten viele Menschen, die Investitionen in den Klimaschutz kritisch sehen.

Die Energiewende benötige mehr als technische Lösungen, schlussfolgern die Lübecker Stadtwerke aus der Umfrage, sie brauche gesellschaftliche Akzeptanz und eine klare Kommunikation. Dr. Jens Meier, Vorstandschef der Stadtwerke Gruppe: „Die Basis der Energiewende ist ein Schulterschluss von Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Denn nur wenn Erfahrungen geteilt, regionale Blaupausen entwickelt und gemeinsam an Lösungen gearbeitet wird, kann die Energiewende gelingen.“

Die Deutschen wollen vor allem eine bessere Verkehrsinfrastruktur. 50,3 Prozent der Befragten sprechen sich dafür aus. Dahinter folgen der Ausbau der Strom-, Wasser- und Fernwärmenetze (37,6 Prozent). In Schleswig-Holstein stehen Nahverkehr und Energieversorgung ganz oben auf der Prioritätenliste.

Das Meinungsforschungsinstitut Civey hat für die Stadtwerke Lübeck Gruppe vom 17. bis 21. April dieses Jahres online 10.000 Bundesbürgerinnen und Bundesbürger ab 18 Jahren befragt. Die Ergebnisse sind laut Civey repräsentativ.

Im Mai hatten die Stadtwerke die ersten Ergebnisse der Civey-Umfrage auf einem Zukunftskongress vorgestellt. 54 Prozent der Deutschen lehnten es danach ab, für umweltfreundliche Produkte oder Dienstleistungen mehr Geld auszugeben.

Das haben andere
Umfragen herausgefunden

Wie stehen die Deutschen zum Klimaschutz? Das haben in diesem Jahr mehrere Studien abgefragt – mit teils widersprüchlichen Ergebnissen. Das Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) hat vor kurzem eine deutschlandweite, repräsentative Längsschnittstudie mit mehr als 8000 Befragten vorgelegt. Danach lehnen acht Prozent Klimaschutzmaßnahmen ab und sorgen sich vor allem um den Wohlstandsverlust.

18 Prozent nehmen den Klimawandel als sehr bedrohlich wahr, befürworten mehr Klimaschutz und sorgen sich stark um Naturka­tastrophen und den Verlust der Artenvielfalt durch den Klimawandel. 25 Prozent sind unentschlossen, 31 Prozent sehen den Klimawandel als gefährlich an, und wünschen sich mehr Klimaschutz, haben aber auch Sorgen wegen sozialer und wirtschaftlicher Folgen von Klimapolitik.

80 Prozent der Deutschen würden das Ziel der Europäischen Union (EU) unterstützen, bis 2050 klimaneutral zu werden.Das zeigt eine neue Eurobarometer-Umfrage, die die Europäische Kommission im Sommer veröffentlicht hat. 77 Prozent meinen, dass die Kosten der durch den Klimawandel verursachten Schäden wesentlich höher sind als die Investitionen, die für einen Übergang zur Klimaneutralität erforderlich sind.

Die Eurobarometer-Umfrage zum Klimawandel lief zwischen dem 18. Februar und dem 10. März dieses Jahres. Sie wurde in allen 27 EU-Mitgliedstaaten durchgeführt, insgesamt 26.319 EU-Bürger wurden befragt.

Maßnahmen für Klimaschutz: Zustimmung sinkt

Aktuell seien nur noch zwei von fünf Bundesbürgern der Ansicht, dass Deutschland mehr gegen den Klimawandel tun sollte. Das stellte das Markt- und Sozialforschungsinstitut Ipsos im April 2025 fest. Zwei Jahre zuvor hätten noch 55 Prozent der Deutschen für mehr Klimaschutz gestimmt. Drei von fünf Deutschen würden glauben, dass der Umstieg auf erneuerbare Energien zu höheren Energiepreisen führen wird. Jeder zweite Bundesbürger sei zudem der Meinung, dass Elektroautos genauso schlecht für die Umwelt seien wie konventionelle Autos.

„Mehr als die Hälfte der Befragten, 54 Prozent, hält den Umwelt- und Klimaschutz⁠ für sehr wichtig“, stellte das Umweltbundesamt in einer Studie zum Umweltbewusstsein der Deutschen vom Mai 2025 fest. Dieser Wert sei in den vergangenen Jahren jedoch kontinuierlich zurückgegangen: 2022 bewerteten noch 57 Prozent, 2020 sogar 65 Prozent, den Schutz von Umwelt und Klima als sehr wichtig.

Auch das Ziel, die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen, verliert demnach an Rückhalt: Nur noch 57 Prozent halten dieses Ziel für sehr wichtig – fünf Prozent weniger als 2022, sagt das Umweltbundesamt.

Seit 1996 werden alle zwei Jahre repräsentative Daten über umweltbezogene Einstellungen und Verhaltensweisen der Bevölkerung in Deutschland erhoben. Für die aktuelle Studie des Umweltbundesamtes sei im Herbst 2024 eine repräsentative Befragung unter 2552 Bürgerinnen und Bürgern ab 18 Jahren vorgenommen worden. dor
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