Wie Autofahrer in Lübeck
Radarfallen entgehen wollen
Spezielle Geräte und Apps warnen vor Blitzern – Eine Folie soll das Kennzeichen unkenntlich machen – Nutzung ist illegal.

Blitzer-Apps auf dem Handy warnen vor Radarfallen. Doch die Nutzung ist nicht erlaubt.Foto: Oliver Pries
Lübeck. Endlich Feierabend! Jetzt schnell nach Hause. Die Straße ist frei, der Tacho zeigt 65 – erlaubt sind 50 Stundenkilometer. Der rote Blitz von der Seite erwischt die Person hinterm Steuer kalt. Situationen wie diese kennen wohl die meisten Autofahrer und Autofahrerinnen. Viele setzen daher auf Hilfsmittel wie spezielle Warngeräte oder Apps, mit denen sie den Blitzern entgehen wollen. Doch die Nutzung dieser Hilfsmittel sind illegal.Volker (Name von der Redaktion geändert) fährt nach eigenem Bekunden vernünftig. Trotzdem hat sich der 64-Jährige dazu entschlossen, sich ein Blitzer-Warngerät zuzulegen. Dieses liegt im Auto des Lübeckers und zeigt an, wenn sich der Fahrer einem Blitzer nähert – und gibt rechtzeitig ein Warnsignal von sich. „Eine todsichere Methode“, sagt Volker.

„Manchmal ist man einfach in Gedanken. In solchen Situationen bin ich ein paar Mal geblitzt worden. Das ist ärgerlich“, sagt Volker. Seit er das Gerät benutze, sei das nicht mehr passiert. Auch nicht im Urlaub, wenn Volker mit seinem Wohnmobil in ganz Europa unterwegs ist.

„In Deutschland gilt: Jede automatisierte Warnung vor Geschwindigkeitsmessanlagen ist verboten – technische Geräte, die gezielt vor Blitzern warnen, dürfen nicht betrieben oder betriebsbereit mitgeführt werden“, sagt Rainer Pregla, Sprecher des ADAC Schleswig-Holstein. Selbst reguläre Navigationsgeräte, die vor Blitzern warnen, dürften so nicht betrieben werden, mahnt der ADAC.

Volker stört das nicht. „Sollte ich mal in eine Kontrolle geraten, schmeiße ich das Gerät schnell in den Aschenbecher. Da wird es nicht gefunden“, sagt er. Falls doch, riskiert der 64-Jährige eine Strafe. Denn die Nutzung entsprechender Geräte kann mit Bußgeldern bis zu 75 Euro sowie einem Punkt in Flensburg geahndet werden.

Die Lübecker Polizei kontrolliert Autofahrer nach eigenen Angaben nicht explizit auf unerlaubte Hilfsmittel.Es gebe aber allgemeine Kontrollen, bei denen Blitzerwarner entdeckt werden könnten. „Wenn bei einer Kontrolle ein unerlaubtes Hilfsmittel festgestellt wird, wird ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet“, erklärt Polizeisprecherin Svenja Pries.

Wie häufig die Lübecker Polizei verbotene Gerätschaften entdeckt, wie oft deswegen Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet werden, dazu kann die Polizei keine Aussage treffen. Dafür hat die Hansestadt Zahlen, wie oft Autofahrer in Lübeck geblitzt werden. In diesem Jahr haben die Radarfallen bereits rund 91.000 Mal ausgelöst. Nach Angaben des Presseamtes hat das fast drei Millionen Euro ins Stadtsäckel gespült.

Vor diesen Bußgeldern wollen sich offenbar immer mehr Menschen schützen. Die App Blitzer.de hat nach eigenen Angaben in Europa eine Community von mehr als fünf Millionen Menschen – Tendenz steigend. Die App warnt in Echtzeit vor Blitzern. Die Nutzung ist damit ebenso illegal wie die von separaten Blitzerwarn-Geräten.

Auch Matthias (Name von der Redaktion geändert) nutzt eine App, die ihn vor Radarfallen warnt. Der Berufskraftfahrer aus Lübeck ist nach eigenen Angaben sehr viel in Norddeutschland unterwegs, fährt rund 300 Kilometer pro Tag. Im Jahr würde ihn die App bestimmt bis zu zehn Mal davor bewahren, geblitzt zu werden.

Ein schlechtes Gewissen hat der Lkw-Fahrer deswegen nicht. „Die Blitzer stehen doch an den unmöglichsten Stellen. Ich fahre nicht mit Absicht zu schnell, aber manchmal passiert es eben.“ Nach eigenen Angaben sorgt auch Matthias sich nicht davor, dass seine Blitzer-App von der Polizei entdeckt wird.

Ein offensichtlicheres Hilfsmittel, um den ungeliebten Blitzern zu entgehen, sind Kennzeichenfolien. Ihr Zweck: Sie sollen durch starke Reflexionen dafür sorgen, dass die Buchstaben und Ziffern auf den Blitzerfotos nicht zu erkennen sind.

Aber funktionieren diese Folien überhaupt? Jein, sagt der ADAC. Zwar könne es Folien geben, die das Kennzeichen nahezu unkenntlich machen würden. Moderne Technik in den Blitzerkameras könne die Verblitzung aber oft wieder ausgleichen.

Sind die Folien legal? Ein ganz klares Nein. „Nummernschilder oder Beleuchtungseinrichtungen dürfen nicht mit Folie beklebt werden“, sagt ADAC-Sprecher Pregla. Die Veränderung könnte sogar den Tatbestand des Kennzeichenmissbrauchs erfüllen. Das würde möglicherweise als Straftat gewertet, im schlimmsten Fall drohe eine Haftstrafe.

„Die rechtlichen Regelungen setzen klare Grenzen. Verkehrssicherheit, Gleichbehandlung und die Wirksamkeit von Überwachungsmaßnahmen sind öffentliche Interessen, die Vorrang vor individueller Warn-Technik oder optischer Veränderung haben“,sagt Pregla. op
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