Von Biogas bis Pflanzerde:
Was aus Müll wird
Ein Blick hinter die Kulissen des Abfallwirtschaftszentrums Lübeck – Stadt setzt auf innovative Verwertung.

Ein Müllfahrzeug kippt seine Ladung ab: Rund 100.000 Tonnen werden im Abfallwirtschaftszentrum Lübeck pro Jahr angeliefert.Foto: Lutz Roeßler
Lübeck. Der Geruch ist durchdringend. Bereits im Verwaltungstrakt des Abfallwirtschaftszentrums Lübeck, vielen wohl besser bekannt als Deponie Niemark, empfängt die Besucher ein überwältigendes Dufterlebnis. An den Wänden hängen Röhren, die Müll in seinen verschiedenen Verarbeitungsstadien zeigen. Im Hintergrund rattern riesige Laufbänder.

Jürgen Adler, Chef des Abfallwirtschaftszentrums, muss Müll mögen – ganz offensichtlich. Im Besprechungsraum der Verwaltung erläutert er die verschiedenen Mülllinien, die hier gefahren werden: Restmüll, Biomüll und neuerdings sogar Lebensmittelabfälle von Großverbrauchern wie Restaurants. Adler steht vor großen Tafeln, die die Abläufe im Abfallwirtschaftszentrum zeigen – und er geht in seinen Erläuterungen voll auf. Man merkt: Der Chef ist stolz auf das, was am Rande Lübecks passiert.

Und das ist eine Menge. Rund 100.000 Tonnen Abfall werden pro Jahr in der Mechanisch-Biologischen Abfallbehandlungsanlage (MBA) angeliefert. Dabei kommt der Müll nicht nur aus Lübeck. Auch Abfälle aus dem Kreis Stormarn, aus dem Kreis Segeberg, aus Neumünster und Steinburg werden in Lübeck so weit behandelt, dass am Ende wieder etwas Wertvolles entsteht.

Das kann Biogas sein, mit dem Strom und Wärme erzeugt werden. Aus der Biomüll-Linie entstehen am Ende sogar Kompost und Pflanzerde. Verwertet wird fast alles. „Nur ein relativ kleiner Teil, wie beispielsweise Sand, landet am Ende noch auf der Deponie“, erklärt Mirko Wetter, Pressesprecher der Entsorgungsbetriebe Lübeck (EBL).

Auf Niemark ist man stolz auf das, was man hat. „Die MBA ist in Deutschland relativ einzigartig“, sagt Mirko Wetter. So effektiv und konsequent wie in Lübeck würde kaum irgendwo der Müll getrennt und vor allem verwertet. Und das geht – ganz grob gesagt – so: Der angelieferte Restmüll wird zerkleinert und gesiebt. Danach werden Stoffe wie Metalle oder Kunststoffe aussortiert. Einiges davon landet als Ersatzbrennstoff im Kraftwerk in Neumünster. Aus den organischen Teilen im Restabfall wird Biogas gewonnen. Daraus wird Strom und Wärme erzeugt. Nur die Reste und Schwerstoffe wie Sand und Steine landen noch auf der Deponie. Auch der Biomüll wird zerkleinert und gesiebt und zu Biogas vergoren. Im Kraftwerk wird daraus Strom erzeugt.

Die Gärreste des Biomülls landen schließlich im Biomassewerk, wo daraus mit Grünschnitt vermischt Kompost für die Landwirtschaft wird. Die EBL vertreiben sogar eigene torffreie Pflanzerde mit Bestandteilen aus dem Lübecker Bioabfall. „Die Störstoffe im Biomüll liegen in Lübeck bei gerade einmal einem Prozent“, erklärt Jürgen Adler.

Das klingt nach wenig, kann bei entsprechenden Mengen aber auch viel sein.Deshalb haben die Entsorgungsbetriebe neuerdings Mitarbeitende im Einsatz, die den Biomüll in Lübeck kontrollieren.Besitzer der Tonne werden darauf hingewiesen, wenn sie falsche Dinge eingefüllt haben.

Was am Ende im Abfallwirtschaftszentrum ankommt, wird getrennt behandelt. Schon die Abholung der Rest- und Biomüll-Tonnen erfolgt separat. „Nur ganz selten, zum Beispiel wenn technische Probleme bei den Fahrzeugen vorliegen, werden beide Linien gemeinsam eingesammelt“, erklärt Mirko Wetter.

Die Prozesse seien vollautomatisiert, erklären die Verantwortlichen. 80 Mitarbeitende kümmern sich vor Ort darum, dass nichts schiefläuft. Eine künstliche Intelligenz scannt die Lagerhalle auf entstehende Brände.

Was am Ende entsteht, ist aber völlig natürlich. Bis dahin riecht es eben ein bisschen streng. Oscar aus der „Sesamstraße“ würde es lieben. op
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