Selbstverteidigung bedeute, einen Angriff unwirksam zu machen, erklärt Kather. „Man muss aber auch austeilen können, um dem Gegner zu zeigen, besser nicht weiter anzugreifen, oder die eigene Flucht zu ermöglichen. Dazu lehren wir Schläge, Tritte, Blöcke, Würfe, Halte- und Hebeltechniken“, so der Karatemeister.
Allerdings betont er: „Um sich wirksam verteidigen zu können, bedarf es beständigen, jahrelangen Übens. Und es hängt stark von der Persönlichkeit des Schülers ab.“ Melanie Will ergänzt: „Um sich behaupten zu können, bedarf es einer aufrechten, selbstbewussten Haltung.“
Harmonie und geistige
Kraft gegen Angriffe
Selbstverteidigung anderer Art wird im Aikido Club Lübeck (ACL) gelehrt: Für 90 Minuten wird die Turnhalle der Kahlhorstschule zum Dojo (Übungsstätte). Praktiziert wird Aikido (etwa übersetzt: Weg der Harmonie und geistigen Kraft). Der Mann mit der weißen Kimonojacke und dem schwarzen Hosenrock (japanisch: Hakama), ist André Lienshöft. Der 58-jährige Trainer, der den 2. Dan trägt, lässt die Gruppe Abwehrtechniken üben.
Das defensive Aikido-Prinzip: Der Angriffskraft wird kein Widerstand entgegengesetzt. Attacken werden durch geschickte Ausweichbewegungen umgelenkt, um den Angreifer zu Fall zu bringen. Geübt werden Würfe, Halte- und Hebeltechniken – die Kraft des Angreifers wird genutzt, um sein Gleichgewicht zu stören.
Detlef Voß, technischer Leiter des ACL und Träger des 3. Dan, erklärt: „Viele Techniken sind bei Armee, Polizei und Sicherheitsdiensten bewährte Praktiken.“
Neben der Schulung von Körper und Geist eigne sich Aikido grundsätzlich auch zur Selbstverteidigung. Allerdings setze dies ein „beständiges, langes Training“ voraus, so Voß.
Judomeisterin: Techniken müssen sich automatisieren
Das bestätigt auch Tanja Hantel. Die 57-jährige Judotrainerin im Lübecker Judo Club (LJC) hat den 5. Dan. Angefangen hat sie als junges Mädchen, zur Verteidigung im Ernstfall. 130 Aktive üben Judo im LJC.
Schützt es im Ernstfall? „Ja und nein“, sagt Hantel. „Entscheidend ist, Selbstbewusstsein zu entwickeln“, so die Judomeisterin. „Das Auftreten muss ausstrahlen, etwa durch aufrechte Körperhaltung“, betont Hantel. Beständiges Training hält auch sie für notwendig: „Bewegungsabläufe müssen sich automatisieren“, sagt sie.
Um Nutzung der Angriffskraft geht es auch beim WingTsun: Einst erfunden von zwei chinesischen Nonnen, sei es eine Kampfkunst, „bei der durch verschiedene Übungen das Vertrauen in eigene Fähigkeiten gestärkt wird“, sagt WingTsun-Meister Manfred Eisenblätter. Seit vielen Jahren trainieren Christian Bigge und Yasin Duman diese Kunst bei der WingTsun-Akademie Schirdewahn.„Wir ‚borgen‘ die Kraft des Gegners, arbeiten taktil“, so Bigge.„Von vornherein müssen wir versuchen zu sehen, wie der Gegner sich bewegt“, sagt er.
Kampfkünste können also effektiv sein – bei beständigem Training. „Es zählt aber auch die Selbstbehauptung“, sagt Svenja Pries, Sprecherin der Polizeidirektion Lübeck. Waffen mit sich führen, um sich auf der Straße sicherer zu fühlen, davon rät sie grundsätzlich ab. Das Tragen von Waffen, etwa Messer oder Pfefferspray, biete keine Sicherheit, sondern könne die Gefahr sogar erhöhen, weil die vermeintlichen Verteidigungswerkzeuge in die Hände des Gegners gelangen können.
Besser sei es, bestimmte Verhaltensweisen einzuüben, mit denen das Sicherheitsgefühl im öffentlichen Raum gestärkt werden könne. Die polizeiliche Präventionsstelle rät: Die Umgebung aufmerksam wahrnehmen. Auf das Bauchgefühl hören. So früh wie möglich Abstand von bedrohlichen Situationen nehmen. An sichere Orte, zum Beispiel die andere Straßenseite oder das U-Bahn-Abteil wechseln, Kioske, Geschäfte, Restaurants aufsuchen.
Polizei rät: Fordern
Sie Hilfe ein
„Siezen Sie die provozierende Person. Damit signalisieren Sie Außenstehenden, dass es sich um keine private Streitigkeit handelt. Vermeiden Sie verbale Provokation und körperliche Konfrontation. Sprechen Sie unbeteiligte Personen direkt an, etwa: ‚Hallo, Sie mit der grünen Jacke‘. Beschreiben Sie die Situation und fordern Sie Hilfe ein. Rufen Sie in einer Notsituation die Polizei über 110 und erstatten Sie Strafanzeige“, rät Pries. „Sich zur Wehr zu setzen, kann Schlimmeres verhindern: Viele Täter brechen ab, wenn ein Opfer sich massiv wehrt.“