Kinder- und Jugendbeirat:
Ein Ja mit Bauchschmerzen
Bürgerschaft bringt Gremium auf den Weg – Wahl für 2027 geplant.

Im Herbst 2027 könnte der Kinder- und Jugendbeirat erstmals gewählt werden.Foto: Agentur 54°
Lübeck. Alle Fraktionen, die sich in der jüngsten Sitzung der Lübecker Bürgerschaft zu Wort gemeldet hatten, bekannten sich zur Einrichtung eines Kinder- und Jugendbeirates in Lübeck. Trotzdem gab es jede Menge Dissens – und am Ende eine Entscheidung, mit der nicht alle einverstanden waren.

Das wichtigste Resultat: Der Kinder- und Jugendbeirat kommt nach jahrelangen Debatten. 27 Bürgerschaftsmitglieder stimmten dafür. Niemand war dagegen. Aber 19 Politikerinnen und Politiker enthielten sich. Vor allem SPD und Linke & GAL waren nicht einverstanden damit, wie der künftige Beirat auf den Weg gebracht werden soll.

Durchgesetzt hatte sich der Antrag von CDU, Grünen und FDP. Die Verwaltung soll eine Satzung und eine Geschäftsordnung erstellen und der Bürgerschaft bis spätestens Herbst 2026 vorlegen. Die erste Wahl soll im Herbst 2027 erfolgen. Der Beirat muss zu allen jugendrelevanten Themen gehört werden und soll ein Antragsrecht in allen Ausschüssen und der Bürgerschaft bekommen.

Eineinhalb Stellen soll es für den Beirat geben – und eine mehr, sobald er läuft. Diese Stellen sollen laut Beschluss aus anderen Jugendprojekten umgewidmet werden, die aktuell noch nicht realisiert sind.Konkret geht es dabei um ein geplantes Jugendzentrum auf Marli und um ein vorgesehenes Jugendhilfeprojekt in St. Lorenz Nord. Vor allem um diesen Punkt gab es Streit.

„Wir wollen klar und konsequent mehr Mitbestimmung ermöglichen. Das ist überfällig“, sagte Jens Zimmermann (CDU). Der Antrag der drei Fraktionen habe nun einen Finanzierungsweg aufgezeigt. Das Jugendzentrum Marli sei aktuell noch gar nicht in der Umsetzung und werde es auch im kommenden Jahr nicht sein. Beim geplanten Projekt in St. Lorenz Nord falle von zwei Stellen eine halbe weg.

Die SPD lehnt die Umwidmung der Stellen ab. An der Schaffung des Kinder- und Jugendbeirates seien die Betroffenen nur unzureichend beteiligt worden. „Wir entscheiden über die Köpfe der Kinder und Jugendlichen hinweg“, sagte der SPD-Politiker Jörn Puhle. Seine Fraktion hatte kurzfristig einen eigenen Antrag eingebracht. Er sah vor, im ersten Halbjahr eines jeden Jahres eine Kinder- und Jugendversammlung abzuhalten. In diesem Rahmen würde ein Jugendbeirat gewählt, der dann Vertreter in den Jugendhilfeausschuss entsendet. Dieser Antrag wurde abgelehnt.

Als „Verzögerungstaktik“ bezeichnete Daniel Kerlin (FDP) den Antrag der SPD. Die Sozialdemokraten verwiesen immer wieder auf andere Beteiligungsformen für Jugendliche. „Das macht ihr bei Senioren doch auch nicht.“

Der Vorschlag für die Finanzierung sei nicht schön, räumte Grünen-Fraktionschef Axel Flasbarth ein. „Aber er ist der prekären Haushaltslage geschuldet.“ Es sei die Aufgabe der Politik, schwierige Entscheidungen zu treffen, sagte Judith Balke (ebenfalls Grüne).

Die Fraktion Linke & GAL pocht darauf, dass der Beirat über den Lübecker Haushalt finanziert wird. Die Umwidmung von Stellen lehnt die Fraktion ebenso ab wie eine Finanzierung über Drittmittel. „Der Beirat darf nicht auf finanziell wackligen Beinen stehen“, sagte Juleka Schulte-Ostermann (GAL). Ein entsprechender Antrag wurde abgelehnt. Linke & GAL kündigten an, den Mehrheitsbeschluss zur Finanzierung wegen möglicher Verfahrensfehler prüfen lassen wollen.

Die Fraktion verwies auf das Rechtsamt, das sich in der Sitzung ebenfalls äußerte. Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen ist vorgeschrieben, sagte Sebastian Ziemann, Leiter des Bereichs Recht der Hansestadt. Der entscheidende Punkt: Hat die Umwidmung des Personals wesentliche Auswirkungen auf die beiden geplanten Projekte? Wenn ja, müssten Kinder und Jugendliche beteiligt werden. „Die Frage kann man sich stellen“, sagte Sebastian Ziemann. „Eine Beschlussanfechtung führt nicht zu schnelleren Wahlen“, sagte Gregor Voht (Freie Wähler). „Es ist alles schon diskutiert worden.“

Das Projekt in St. Lorenz Nord werde durch die Entscheidung der Bürgerschaft zurückgeworfen, machte Bürgermeister Jan Lindenau (SPD) deutlich. Denn das Ausschreibungsverfahren sei abgeschlossen, die Bewerber haben ein Konzept eingereicht. Da nun eine halbe Stelle weniger zur Verfügung steht, müsse neu ausgeschrieben werden. „Es ist unklar, wie die Bewerber damit umgehen.“

Das Stadtschüler:innenparlament (SSP) begrüßt die Entscheidung für einen Kinder- und Jugendbeirat grundsätzlich. „Wir freuen uns, dass es jetzt losgeht“, sagt Sprecherin Helene Lilitakis. Ein solches Gremium sei wichtig. Das SSP sieht die finanziellen Schwierigkeiten. Die jetzt gefundene Lösung bereitet den Schülerinnen und Schülern allerdings Unwohlsein. „Wir wollten niemandem etwas wegnehmen“, sagt Helene Lilitakis. Es wäre gut gewesen, wenn es noch einmal eine Runde mit allen Beteiligten gegeben hätte. Dort hätte ein Kompromiss für die Finanzierung gesucht werden können. hvs
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