Wie die Bücherpiraten Kinder
für Literatur begeistern wollen
Mit einem Lastenrad voll Lektüre und einem Erzähltheater besuchen die Ehrenamtler Lübecker Kitas.

Großes Bild: Nicole Kästner, Jule Heintz und Lea Breckwoldt präsentieren das BücherpiRad vor dem Einsatz im Kindergarten. Darin ist auch das Kamishibai enthalten, das Bildertheater (Bild oben) verwendet Heintz beim Vorlesen.Fotos: Agentur 54°
Lübeck. Aufgeregt greifen die Kinder in die alten Lederkoffer, um sich ihre Schätze zu schnappen. Tatsächlich wirken die Koffer ein wenig wie Schatztruhen. Der Inhalt: Bücher – der Schatz der Kinder, die eben noch still und aufmerksam einer Geschichte gelauscht haben. Nun dürfen sie sich kostenlos etwas zum Lesen aussuchen. Ein Team vom Verein Bücherpiraten hat die Kleinen in ihrem Kindergarten besucht.

Ein Team besteht aus zwei ehrenamtlichen Mitarbeitern. Für Lea Breckwoldt und Nicole Kästner ist die Arbeit eine Leidenschaft: „Ich habe vor einer Weile von dem Projekt durch die Uni erfahren und wollte helfen“, erzählt die 26-jährige Breckwoldt. Sie studiert Biochemie. Nicole Kästner dagegen ist Rentnerin und durch die Ehrenamtsmesse auf die Bücherpiraten aufmerksam geworden. Gemeinsam wollen sie heute im Rahmen des Projekts „Jedem Kind ein Buch“ den Nachwuchs für Literatur begeistern.

Das BücherpiRad ist ein Lastenrad, dem Projekt entsprechend liebevoll mit großen Buchstaben dekoriert. Und vollgepackt. Mit dabei: das Kamishibai. Ein kleines, mobiles Erzähltheater nach japanischem Vorbild, das auf alternative Weise zunächst den Kindern eine Geschichte präsentiert. „Die Kinder sehen hier die großen Bilder, die sie direkt mit dem vorgelesenen Text verbinden können“, erklärt Jule Heintz, Leiterin des Benefiz-Buchladens in der Fleischhauerstraße 71. Im Laufe der Geschichte tauschen die Vorlesenden die Bilder aus.

Anna Pelzer, Deutschlehrerin an einer Grundschule, arbeitet mit ähnlichen Methoden: „Kinder auf diese Art und Weise an Literatur heranzuführen, ist absolut sinnvoll. Der erste Schritt dazu funktioniert nicht mehr über das klassische Buch. Dennoch über analoge Formate – wie solch ein Erzähltheater.“

Auch wenn Pelzer das Projekt sinnvoll findet, hinterfragt sie den quantitativen Erfolg: „Zu jeder Gruppe mit einem Team fahren, stellt einen immensen logistischen Aufwand dar. Da müssen sich viele Kinder nachhaltig für Bücher begeistern können, damit sich das Projekt wirklich lohnt.“

Dennoch sieht Pelzer vor allem den außerschulischen Charakter als Chance: „Wenn Kinder außerhalb des Unterrichts mit Literatur konfrontiert werden, sind sie offener dafür. Es wird nicht direkt mit Verpflichtungen in der Schule oder im Kindergarten verbunden.“

Jule Heintz zeigt sich bislang zufrieden mit dem Anlauf des Projekts. „Mittlerweile haben wir 15 Ehrenamtliche, die verschiedene Kita-Gruppen anfahren und dort vorlesen.“ Aus Sicht von Anneke Brors, Pressesprecherin der Bücherpiraten, ist das Projekt auch wichtig, um negativen Entwicklungen entgegensteuern zu können. „Das Verstehen von längeren Texten wird für Kinder immer schwieriger“, stellt sie fest.

„Lesen lernen fängt beim Vorlesen an“, nennt Brors eine einfache Formel. Die Bücherpiraten wollen mit ihren Projekten mit gutem Beispiel vorangehen. Deutsch-Lehrerin Anna Pelzer stimmt zu: „Wir haben in der ersten und zweiten Klasse alle zwei Wochen einen Vorlesetag. Da kommen freiwillige Eltern in den Unterricht und lesen den Kindern vor. Es ist wichtig, dass auch die Eltern mit einbezogen werden.“

Die Bücherpiraten wollen insbesondere Kinder aus sozialschwachen Familien mit Literatur versorgen und versuchen das mit verschiedenen Projekten zu unterfüttern. Während das BücherpiRad für die nächste Tour präpariert wird, gibt Julia Heintz noch eine Empfehlung für ein Kinderbuch ab: „Der schaurige Schusch von Charlotte Habersack ist ein fantastisches Einsteigerbuch für Kinder“, sagt sie und lächelt. Vielleicht hatte ein Kind bei der Schatzsuche ja Glück und genau dieses Buch gegriffen. job

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