Wir sind mit Stadtförsterin Annalena Puklowski und Hannes Napp, Chef des Stadtwalds, verabredet. Die 36-jährige Forstwissenschaftlerin kämpft um zehn Hektar des Waldgebiets in Moorgarten, der Bartelsholz genannt wird. Um „Barti” ist ein Kampf entbrannt. Der Stromnetzbetreiber Tennet will mitten hindurch eine Hochspannungsleitung treiben, ein Bündnis wehrt sich dagegen.
Annalena Puklowski, die in Erfurt studierte und seit Februar 2024 das Revier Falkenhusen leitet, stellt zwei Dinge sofort klar: „Ich bin für die Energiewende, ich bin dafür, dass Trassen für den grünen Strom gebaut werden“, sagt die Försterin, „aber die Elbe-Lübeck-Leitung kann um den Wald herum gebaut werden.“
Um das zu erreichen, sucht die 36-Jährige den Weg in die Öffentlichkeit – für eine städtische Angestellte keine Selbstverständlichkeit. Annalena Puklowski hat den Segen ihrer Vorgesetzten. Sie sei zwar nicht Teil des Bündnisses „Lübecker Stadtwald retten“, aber: „Wer sonst soll den Wald retten, wenn nicht die Försterin.“
Also begleitet die Forstwissenschaftlerin die Waldspaziergänge des Bündnisses, bei denen mittlerweile mehr als 150 Menschen zusammenkommen. Sie wirbt für die Online-Petition „openpetition.de/stadtwaldretten“, die bereits mehr als 3000 Unterstützende zählt. Annalena Puklowski hat auch die Stellungnahme der Hansestadt geschrieben, die im Zuge des Planungsverfahrens eingeholt wurde.
„Barti“ ist 150 Hektar groß, zehn Hektar will Tennet für die Stromleitung roden. Klingt nicht so dramatisch. Ist es aber aus Sicht der Waldexpertin. 140 bis 160 Jahre Altbäume seien davon betroffen – von Fichten über Kiefern und Birken bis zu Buchen und Eichen. Darunter 60 Biobäume. Die heißen so, weil in ihren Höhlen Insekten und Vögel zu Hause sind.
Die Försterin sprintet die schmale Straße entlang, um zusammen mit ihrem Chef die Dimensionen der Trasse deutlich zu machen. Annalena Puklowski steht an der einen Stelle, Hannes Napp gut 75 Meter weiter.
Und es bliebe nicht bei den abgeholzten Bäumen. „Links und rechts der Schneise würden die stehengebliebenen Bäume schneller Schäden erleiden, weil sie Stürmen und Sonne stärker ausgesetzt sind“, erklärt die Wissenschaftlerin. Die Rodung hätte zur Folge, dass der Wald Kohlenstoff nicht länger bindet, sondern freisetzt. „Und das für eine Stromtrasse, die dem Klimaschutz dienen soll“, sagt Puklowski und zweifelt an dem Vorhaben.
Die Stromtrasse würde auch ein aufgeforstetes Waldstück zerstören. In einem Bereich des „Barti“ wurden Ausgleichsflächen für Natureingriffe auf dem Priwall geschaffen. Dafür müsste Tennet neue Ausgleichsflächen schaffen.
„Der Verlust eines alten Waldes ist durch sehr junge Ersatzaufforstungen nicht auszugleichen“, sagt die Försterin. Bereichsleiter Hannes Napp befürchtet, dass der neuerliche Ausgleich irgendwo in Schleswig-Holstein stattfindet.
Die Stadt und das Bündnis fordern Tennet auf, eine Alternativtrasse am „Barti“ vorbeizuplanen. „Das ist technisch machbar und die Trasse ist nur ein paar Meter länger“, sagt Annalena Puklowski. Für den Stromnetzbetreiber allerdings bedeutet das mehr Aufwand, weil mit mehr privaten Eigentümern verhandelt werden muss. Stadtwald-Chef Napp: „Tennet geht bisher den einfachen Weg.“