Neue Prognose bis 2045:
Bevölkerung Lübecks altert rasant
Nur durch Zuzug wächst die Einwohnerzahl in der Stadt – Noch nie wurden so wenige Kinder geboren

Seit mehr als 50 Jahren liegt die jährliche Sterberate über der Geburtenrate in der Hansestadt. 2024 wurden 1597 Neugeborene und 2995 Gestorbene gezählt.Foto: Lutz Roeßler
Lübeck. Die Zahl der Einwohner Lübecks wächst bis zum Jahr 2045 auf etwa 226.200 Personen – das sind rund 3000 Menschen mehr, als Anfang dieses Jahres in der Hansestadt lebten. Parallel vollzieht sich ein dramatischer demografischer Wandel. Die Bevölkerung der Hansestadt wird in den kommenden Jahrzehnten erheblich altern, heißt es in der aktuellen Bevölkerungsprognose für die Jahre bis 2045.

Die Zahl der über 67-Jährigen wird um 9145 zunehmen, ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung steigt von 20,7 auf 24,5 Prozent. Die Gruppe der unter 20-Jährigen schrumpft um 2455, ihr Anteil sinkt auf 14,4 Prozent. Die mittlere Altersgruppe (20 bis 67 Jahre) nimmt leicht um 3655 ab. „Die steigende Zahl älterer Menschen wird erhebliche Auswirkungen auf die sozialen Sicherungssysteme, den Wohnungsmarkt sowie die Gesundheits- und Pflegeinfrastruktur haben“, sagt Bürgermeister Jan Lindenau (SPD).

Die städtischen Statistiker erwarten, dass rund 28.300 Menschen bis 2045 mehr nach Lübeck zuziehen als fortziehen. Ohne diese Zuzüge würde die Einwohnerzahl bis 2045 auf rund 193.400 Personen sinken. In den Jahren 2022 bis 2024 sind vor allem Ukrainerinnen und Ukrainer wegen des russischen Angriffskriegs nach Lübeck geflohen. Die Ukrainer stellen nach den Türken die zweitgrößte, ausländische Bevölkerungsgruppe.

Seit mehr als 50 Jahren liegt die jährliche Sterberate über der Geburtenrate in der Hansestadt. 2024 wurden 1597 Neugeborene und 2995 Gestorbene gezählt. Damit die Bevölkerung nicht schrumpft, müssten 2,1 Kinder je Frau geboren werden. Tatsächlich waren es 2010 noch 1,4 und 2024 nur noch 1,1 Kinder je Frau. Die Geburtenraten der deutschen Frauen liegen zudem deutlich unter denen der ausländischen Frauen in Lübeck.

Laut Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung pendelte die Geburtenrate in Deutschland von 1975 bis 2015 zwischen 1,2, und 1,4 Kinder pro Frau und stieg von 2015 bis 2021 auf 1,5 bis 1,6. „Dieser Anstieg wird mit familienpolitischen Reformen wie dem Elterngeld und dem Ausbau der Kindertagesbetreuung in Verbindung gebracht“, sagen die Bevölkerungsforscher, „auch die gestiegene Zahl von Frauen mit Migrationshintergrund spielt eine Rolle, die – sofern sie noch nicht lange in Deutschland leben – im Mittel mehr Kinder bekommen.“

„Die Alterung der Bevölkerung wird sich spürbar auf den Arbeitsmarkt und die soziale Infrastruktur auswirken“, erklärt Bürgermeister Lindenau, „schon heute zeichnet sich ein Fachkräftemangel ab, der sich in den kommenden Jahren weiter verstärken könnte.“

Das bestätigt die Agentur für Arbeit Lübeck. „Der demografische Wandel hat bereits Auswirkungen auf unseren Arbeitsmarkt“, erklärt Agenturchef Markus Dusch, „die Unternehmen konkurrieren nicht nur in der eigenen Branche um Arbeitskräfte, sondern auch mit anderen Wirtschaftszweigen und Regionen.“

Was können Unternehmen tun? „Sie sollten schwächeren Schulabgängern eine Chance geben, Arbeitskräfte ohne Berufsabschluss qualifizieren, das Arbeitszeitvolumen von Teilzeitkräften und Minijobbenden steigern, flexible Arbeitszeiten und Homeoffice anbieten sowie Kitabetreuung im Betrieb organisieren“, wünscht sich Dusch.

Für ältere Mitarbeitende sollte es flexible Teilzeitmodelle und Angebote zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit geben, rät die Arbeitsagentur, Menschen mit Behinderung und in Deutschland lebende Migranten sollten integriert werden.

Markus Dusch, Chef der Agentur für Arbeit: „Da bestehende inländische Potenziale nicht ausreichen, um die durch den demografischen Wandel entstehende Lücke zu füllen, werben wir im Ausland gezielt um Fachkräfte und arbeiten dabei mit Netzwerkpartnern zusammen. Interessierte Unternehmen berät gerne der Arbeitgeber-Service.“

Die demografische Entwicklung hat auch Folgen für den Wohnungsmarkt, der in Lübeck ohnehin schon angespannt ist: „Aufgrund dieser Entwicklungen ist auch zukünftig mit einem steigenden Bedarf nach Wohnraum zu rechnen. Insbesondere der Bedarf nach kleineren, altersgerechten Wohnungen wird weiter steigen“, prognostizieren die städtischen Statistiker. Denn die Zahl der Einpersonenhaushalte werde bis 2045 am stärksten wachsen – um 3441 auf insgesamt rund 72.000 Haushalte.

Die Kitaplanung der Stadt hält trotz der sinkenden Geburtenraten an ihren Ausbauplänen fest. Aus dem Rückgang der Kinderzahlen dürfe nicht auf einen Rückgang des Bedarfs an Kinderbetreuung geschlossen werden, sagen die Jugendhilfeplaner. Ein weiterer Ausbau der Krippenplätze für Kinder unter drei Jahren sei geboten, weil die Erwerbstätigkeit von Frauen zunehmen werde.

„Wir müssen frühzeitig Maßnahmen ergreifen, um dieser Entwicklung zu begegnen“, erklärt der Bürgermeister. Die Wirtschaftsförderung Lübeck arbeite an einer Strategie unter anderem zur Arbeitskräftegewinnung und die Sozialverwaltung hat einen Pflegebedarfsplan vorgelegt. dor
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