Die Politiker haben grünes Licht für den Start des Bebauungsplanverfahrens gegeben. Die Geschäftsführer Lorenz Röttger und Jan Jacob Olderog hoffen, dass zumindest auf Teilen der Flächen in absehbarer Zeit der erste Strom fließt. Bislang wachsen auf den 80 und 90 Hektar großen Teilflächen links und rechts von der A20 Gerste und Mais.
„Die biologische Begutachtung der Flächen ist weitgehend abgeschlossen“, berichtet Jan Jacob Olderog über den aktuellen Sachstand. Das Vorkommen von Vögeln, Amphibien, Fledermäusen und Reptilien wurde erfasst. Derzeit überlegen die jungen Investoren, zunächst einmal entlang der Autobahn 20, die das Areal durchschneidet, mit der Bebauung zu starten.
Seit 2022 erlaubt der Gesetzgeber, Solaranlagen entlang von Schienenwegen und Autobahnen beschleunigt zu errichten. „Für die Hansestadt können damit, falls öffentliche Belange nicht entgegenstehen und die Erschließung gesichert ist, Flächen entlang der A1, der A20, und der Eisenbahnstrecke Hamburg-Lübeck sowie Bad Schwartau Waldhalle–Lübeck-Travemünde Strand infrage kommen“, heißt es im neuen Freiflächen-Konzept der Verwaltung.
Lübeck will in den kommenden zehn bis 15 Jahren klimaneutral sein. Das bedeutet, Strom und Wärme werden nicht mehr aus Gas und Öl, sondern aus erneuerbaren Energien wie Photovoltaik, Erdwärme, Solarthermie, Windenergie oder Wärmepumpen gewonnen. Den Bedarf an Sonnenstrom für 2040 kalkuliert die Klimaleitstelle mit rund 800 Millionen Kilowattstunden.
Derzeit wird der meiste Strom auf dem Stadtgebiet durch das Verbrennen von Erdgas in Blockheizkraftwerken erzeugt. 2023 wurden nach Angaben der TraveNetz rund 45 Millionen Kilowattstunden Solarstrom aus Lübeck und Umgebung ins Netz eingespeist. Der Eigenverbrauch aus Speichern und Balkonsolarkraftwerken ist nicht enthalten.
Die Energiewende braucht vor allem viel Platz. Laut Freiflächen-Solarkonzept müssten im Stadtgebiet bis 2040 mindestens 400 Hektar für große Photovoltaik-Anlagen zur Verfügung zu stehen. 68 Prozent des Stadtgebiets scheiden aber aus, weil PV-Anlagen dort mit Naturschutz oder touristischer Nutzung kollidieren würden.
Für einen großen Sprung nach vorn müssten viel mehr Dächer mit Solarmodulen belegt werden – vor allem Gewerbedächer. „Es gibt ein enormes Potenzial an erneuerbarem Strom von Gewerbedächern“, sagt Prof. Michael Bischoff vom Verein Klimaentscheid Lübeck.
Auf 300 Millionen Kilowattstunden schätzt die Klimaleitstelle den Stromertrag durch Photovoltaik auf Gewerbedächern, auf Dächern großer kommunaler Liegenschaften und durch PV-Anlagen auf großen Parkplätzen. Die Stadt ist beispielsweise dabei, auf 17 Schuldächern Anlagen zu bauen.
Rein rechnerisch ist die Klima- und Energiewende in Lübeck also möglich. Aber dafür braucht es zahlreiche Projekte. Laut Solarflächen-Konzept sei eine großflächige PV-Anlage im Bereich Wulfsdorf in Planung. Die Bürgerenergie-Genossenschaft will für 1,8 Millionen Euro einen Solarpark in Ivendorf errichten. Die Entsorgungsbetriebe Lübeck betreiben auf der Deponie Niemark eine PV-Anlage, auf Hallen der Lübecker Hafen-Gesellschaft sind große Anlagen geplant und auf zehn Hektar wird im Bereich Vorrade ein Solarpark errichtet.
Und immer mehr Bürger beteiligen sich an der Energiewende. Der Netzbetreiber TraveNetz verzeichnete im vergangenen Jahr 2000 Anmeldungen für PV-Anlagen und Balkonsolarkraftwerke - 2020 waren es gerade einmal 150.
Und doch fordern Investoren mehr Tempo in Lübeck. „Von der so oft versprochenen Planungsbeschleunigung und einem überragend öffentlichen Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien ist in der Praxis vor Ort leider häufig noch nicht viel zu spüren“, kritisieren Lorenz Röttger und Jan Jacob Olderog vom Solarpark Beidendorf, „bislang konnten auch bei unserem Projekt leider noch nicht alle Hürden aus dem Weg geräumt werden.“
Investoren müssen beispielsweise hohe Summen in die archäologischen Untersuchungen stecken. Dabei entsteht in Beidendorf kein Gewerbegebiet. „Durch den Bau der Anlage drohen höchstens punktuelle Bodeneingriffe, da die Solaranlage auf Metallpfosten steht und lediglich im Bereich der Kabeltrassen der Boden aufgegraben werden muss“, sagen Röttger und Olderog.
Wie die Ivendorfer Solarpark-Investoren müssen auch die Beidendorfer ein umfangreiches Blendgutachten erstellen lassen. In Beidendorf soll damit sichergestellt werden, damit von den Modulen weder Nachbarn noch Autofahrer, Bahnverkehr oder Flugzeuge geblendet werden.