Bahn-Baustelle: Lübeck ist alarmiert
Wie kommen Reisende nach Hamburg und zurück? Die Stadtverwaltung sieht zahlreiche ungelöste Probleme.

Schienenersatzverkehr in Lübeck: Diese Aufnahme stammt aus dem September 2023. Seinerzeit waren mehrere Bahnstrecken zeitgleich gesperrt.Foto: Lutz Roeßler
Lübeck. Auf Bahnreisende zwischen Lübeck und Hamburg kommen große Probleme zu. Wenn die Strecke voraussichtlich 2027 für sechs Monate gesperrt wird, müssen sie Umwege fahren oder auf Busse umsteigen. Doch noch sind viele Fragen offen.

„Die Maßnahme der DB bereitet uns seit geraumer Zeit mehr als nur Sorgen“, sagte Lübecks Bausenatorin Joanna Hagen im Bauausschuss. „Eine ausreichende Erreichbarkeit der Hansestadt Lübeck zeichnet sich nicht ab.“

Seit Monaten warnt die Hansestadt Lübeck, dass der Hafen abgeschnitten werden könnte, da zeitgleich auch die Strecke nach Bad Kleinen ausgebaut wird. Doch auch der Personenverkehr wird eine Herausforderung. Senatorin Hagen: „Die Lage ist noch immer unübersichtlich.“ Die Deutsche Bahn und der Verkehrsverbund Nah.SH hätten noch nichts vorgelegt, womit die Stadt konkret planen könne.

Mit Problemen rechnet die Stadt etwa beim Schienenersatzverkehr (SEV). „Alle zwei Minuten müsste ein Bus am Hauptbahnhof an- und abfahren“, sagte Hagen im Hauptausschuss der Bürgerschaft, „was bedeutet das für den innerstädtischen Verkehr?“ Die Bausenatorin bringt den Bahnhaltepunkt in Moisling ins Gespräch: „Das könnte eine gute Idee sein.“

Auch Jan Lindenau (SPD) hat Befürchtungen, dass es mit dem Schienenersatzverkehr nicht klappen könnte. Der Ersatzverkehr müsse europaweit ausgeschrieben werden. Da könnten auch Unternehmen zum Zuge kommen, deren Fahrer kein Deutsch sprechen oder die mit Bussen unterwegs sind, die den technischen Anforderungen hierzulande nicht entsprechen. Der Bürgermeister verwies auf Erfahrungen aus Mecklenburg-Vorpommern: „Da mussten Busse aus dem Verkehr gezogen werden.“

Alle Bedenken hat die Stadtverwaltung jetzt detailliert in einem Bericht an die Kommunalpolitiker aufgelistet. Die Hansestadt Lübeck hält es für möglich, dass die Busse des Schienenersatzverkehrs am Hamburger Stadtrand an U- und S-Bahnstationen enden, um Staus zu umgehen.

Zusätzlich überlege der Nahverkehrsverbund Nah.SH, Ersatzzüge nach Hamburg über Büchen anzubieten. Die Fahrzeit würde allerdings 80 Minuten statt wie sonst 45 Minuten betragen.

Die Stadt verweist auf schlechte Erfahrungen. Im September 2023 waren die Bahnstrecken nach Hamburg, Neustadt und Travemünde zeitgleich gesperrt. Seinerzeit habe es zu wenige Busse und Fahrer gegeben. Teilweise seien überfüllte Busse mit 60 km/h über die Autobahn gefahren, schreibt die Stadt.

Viele Fahrgäste hätten versucht, stattdessen über Büchen zu fahren. Die Züge waren in der Folge überfüllt. „Infolge unzureichender Kapazitäten kam es stellenweise zu chaotischen Szenen, die nur durch polizeiliche Maßnahmen beruhigt werden konnten“, schreibt die Stadt. Sie fordert ein durchgängiges, gut getaktetes Angebot mit stabilen Fahrplänen und hinreichender Kapazität.

Ein großes Problem sieht die Stadt auch bei der Frage, wo die Haltestelle für den Schienenersatzverkehr sein kann. „Die vorhandenen Haltestellenanlagen am Zob und in dessen Umfeld sind bereits jetzt stark ausgelastet.“ Eine Option sei möglicherweise die Verlagerung der Fernbus-Haltestelle Am Retteich in andere Bereiche der Stadt. Denkbar sei auch eine temporäre Umnutzung der Haltestelle LindenArcaden.

Der erhöhte Busverkehr werde unweigerlich zu einer stärkeren Belastung der städtischen Hauptverkehrsachsen führen. Besonders betroffen wären die Fackenburger Allee sowie die Moislinger Allee. „Ohne gezielte Maßnahmen zur Buspriorisierung drohen hier erhebliche Verzögerungen, die sowohl den SEV als auch den regulären Stadtbusverkehr beeinträchtigen könnten“, schreibt die Stadt. Sie rechnet zudem damit, dass viele Bahnreisende aufs Auto umsteigen werden.

„Der Bericht ist ernüchternd“, sagte Ulrich Brock (CDU) im Bauausschuss. „Es ist erschreckend, wie sehr Lübeck nicht mehr erreichbar sein wird.“ Von „Dickfelligkeit bei der Bahn und Ignoranz bei Nah.SH“ sprach Ulrich Pluschkelll (SPD). „Was die Bahn sich über Büchen vorstellt, ist nicht ausreichend.“

Für die Erstellung einer detaillierten Planung wartet die Stadt auf ein Konzept von Nah.SH. Und Nah.SH wartet auf Informationen von der Bahn-Infrastrukturgesellschaft DBInfraGo – zum Beispiel zum genauen Sperrzeitraum und zum Sperrumfang.

„Sobald diese Daten verbindlich vorliegen, wird im Detail an den spezifischen Konzepten gearbeitet“, sagt Nah.SH-Sprecherin Ina Michael. Für den Ersatzverkehr mit Bussen werde die Bahn nach jetzigem Planungsstand einen zentralen Dienstleister mit einheitlicher Ersatzverkehrs-Bus-Flotte beauftragen.

Vor allem wegen der Erreichbarkeit des Hafens hat die Bahn bereits zahlreiche Gespräche in Lübeck geführt und eine Lösung in Aussicht gestellt. Aktuell liefen Überlegungen, ob die Generalsanierung Lübeck-Hamburg und der Ausbau der Strecke Lübeck-Bad Kleinen zeitlich entzerrt werden können, hieß es zuletzt. hvs
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