„Das sind schon massive Eingriffe, und das ist erst der Anfang“, sagt Ratekaus Bürgermeister Thomas Keller (parteilos), als er gemeinsam mit Heike Baumann, Leiterin der Umweltabteilung im Rathaus, die Vorarbeiten für die neue 380-kV-Trasse im Gemeindegebiet inspiziert. „Die Gemeinde wird sich optisch stark verändern“, vermutet Keller.
Ratekau trifft die geplante Ostküstenleitung gleich doppelt – zum einen mit der Leitung Richtung Norden nach Göhl (3. Bauabschnitt) sowie bei der Leitung Richtung Westen von Lübeck-Siems zum neuen Umspannwerk nach Stockelsdorf (2. Bauabschnitt). Für den 3. Bauabschnitt gibt es noch keinen Planfeststellungsbeschluss. Die Veröffentlichung der Planänderungsunterlagen ist für den 21. Januar vorgesehen. Die Frist für Einwendungen endet dann am 6. März 2025.
Ein neues Umspannwerk wird derzeit in Stockelsdorf direkt an der L184 errichtet. Es trägt den Namen Lübeck-West. Von dort geht die Ostküstenleitung weiter gen Henstedt-Ulzburg. Auch die Elbe-Lübeck-Leitung, die durch Stormarn führt und nach Geesthacht geht, wird dort mit angebunden.
Auf rechtliche Schritte hat die Gemeinde Ratekau mangels Aussicht auf Erfolg verzichtet. „Wir haben im Vorfeld schon viel erreicht, und etliche Wünsche hat Tennet dann auch berücksichtigt“, sagt Keller. Überraschend hat die Stadt Bad Schwartau nun auch darauf verzichtet, gegen den Planfeststellungsbeschluss Rechtsmittel einzulegen.
„Wir haben sehr intensiv darüber beraten und sind mit den Planungen auch nicht einverstanden“, sagt Bürgermeisterin Katrin Engeln (Grüne). Allerdings hat die Rechtsanwältin Michèle John gleich vor zwei Risiken gewarnt. Möglicherweise sei die Stadt ob der geringen Betroffenheit, die auch keine Einschränkung bei der Kommunalplanung mit sich bringt, gar nicht klageberechtigt. Zudem seien die Aussichten, dass die Klage erfolgreich sein könnte, eher überschaubar. „Das bedeutet aber nicht, dass wir generell nicht bereit sind, zu klagen“, sagt Engeln. „Bei den Plänen der Bahn zur Schienenhinterlandanbindung der Festen Fehmarnbeltquerung sieht das schon ganz anders aus, denn da geht es um die Gesundheit der Menschen.“Gegen den Planfeststellungsbeschluss des zweiten Bauabschnitts hat aber die Bürgerinitiative Achtung 380-kV mit dem klageberechtigten Umweltschutzverein Sereetz Rechtsmittel beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht. „Wir sind nach wie vor der Meinung, dass die Rechte von Mensch und Natur bei den Planungen nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist nicht gegeben“, sagt Ellen Brümmer von der Bürgerinitiative.
Aus Sicht der Bürgerinitiative stehe der Nutzen der Anbindung des Seekabels Baltic Cable ohnehin in keinem Verhältnis zu den geplanten Eingriffen. Entsprechend rechne man sich auch gute Chancen bei einer möglichen Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht aus. „Wir hoffen noch im Januar auf eine Entscheidung des Gerichts“, erklärt Brümmer.
Schließlich hat die Klage keine aufschiebende Wirkung. Und der Netzbetreiber drückt aufs Tempo. Entsprechend kündigt der zuständige Regionalkoordinator Ostküstenleitung Sören Wendt an: „Tennet wird konsequent sämtliche anstehenden Bauarbeiten durchführen, da Eile geboten ist, um das Kernprojekt der Netzstabilität und Energiewende pünktlich in Betrieb zu nehmen.“ Die 15 Kilometer lange Teilstrecke von Lübeck-Siems zum neuen Umspannwerk Stockelsdorf, die auch den Riesebusch überspannt, soll abschnittsweise in den Jahren 2026 und 2027 in Betrieb gehen.