Damit könnten Notärzte bei einem Einsatz auch dann helfen, wenn gerade kein Notarzteinsatzfahrzeug greifbar ist. Die notärztliche Hilfe werde „direkt und ohne Verzögerung durch Anfahrtswege an den Einsatzort gebracht“, sagt Thomas Köstler von der Berufsfeuerwehr Lübeck. Auch bei der Rettungsdienst Kooperation RKiSH, die neben Rendsburg-Eckernförde, Steinburg, Pinneberg und Dithmarschen auch den Kreis Segeberg versorgt, ist so ein System im Aufbau. Man wolle damit auch gänzlich unnötige Rettungswagenfahrten vermeiden, indem zunächst ein Tele-Arzt den Patienten begutachtet und entscheidet, sagt RKiSH-Sprecher Christian Mandel. Die Sanitäter würden dazu die Messwerte des Patienten in die Klinik übermitteln. Ohne Notarztbegleitung müssen sie die Patienten bislang immer in die Klinik fahren, auch wenn eine Behandlung am nächsten Tag beim Hausarzt ausreichen würde.
Lübecks Bürgermeister Jan Lindenau (SPD) spricht ebenfalls von einem „bedeutenden Schritt in Richtung einer effizienteren und patientenorientierten Notfallversorgung“. Die beiden Zentralen für die Tele-Notärzte werden in den Rettungsleitstellen in Lübeck und Kiel eingerichtet. Noch in diesem Frühjahr sollen die ersten Rettungswagen auf die neue Technik umgerüstet und das Personal geschult werden. 250 Wagen sollen es am Ende sein – genug, um rund die Hälfte der schleswig-holsteinischen Bevölkerung bei Bedarf mit Notfall-Telemedizin zu versorgen. Beim Hausärzteverband im Norden geht man noch weiter und schlägt eine Zusammenlegung der Notrufnummer 112 mit der ärztlichen Notdienst-Nummer 116117 vor, damit die Leitstellen außerhalb der Praxisöffnungszeiten gleich alle Patienten richtig weiterleiten könnten.
Eine Studie der Fachhochschule Kiel in Zusammenarbeit mit dem RKiSH befeuerte solche Reformüberlegungen zuletzt noch. Demnach werde die Zahl der Notfalleinsätze in Schleswig-Holstein binnen der nächsten 15 Jahre noch einmal um 50 Prozent steigen – und das bei Nachwuchssorgen in der Branche und immer knapper werdendem Personal. Allein im Beritt des RKiSH sei mit bis zu 400.000 statt 248.000 Alarmierungen jährlich zu rechnen, heißt es in der Studie. Und das liege nur zum Teil an einer alternden Bevölkerung. Viele Menschen würden auch den Rettungsdienst rufen, weil sie keinen Hausarzt mehr hätten oder noch keine Anlaufpraxis in ihrer Nähe sei. Mehr Rettungswagen würden sich aber nicht einsetzen lassen, sagt Sönke Schulz, Geschäftsführer des Landkreistages. Es gebe weder das Personal noch das Geld dafür.
Die Kreise und kreisfreien Städte müssen in Schleswig-Holstein den Rettungsdienst organisieren und bezahlen. SPD-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach wollte mit einer Gesetzesreform dabei auch die niedergelassenen Ärzte und ihre kassenärztlichen Vereinigungen stärker in die Pflicht nehmen. Das Ampel-Aus verhinderte einen Beschluss. Nach der Neuwahl des Bundestages am 23. Februar soll aber neu verhandelt werden.