„Großartig, dass dieses Angebot jetzt regelmäßig finanziert wird“, sagte Renate Prüß (SPD), Vorsitzende des Sozialausschusses. „Es hat 20 Jahre gedauert, bis diese Idee umgesetzt wurde.“ Seniorinnen und Senioren erhalten zwei bis drei Wochen nach ihrem 70. oder nach dem 75. Geburtstag ein Gratulationsschreiben seitens der Stadt, in dem auf das präventive Angebot aufmerksam gemacht wird. Aktuell leben 2284 Senioren in Lübeck, die im vergangenen Jahr 70 Jahre alt geworden sind. Die Teilnahme ist freiwillig.
Um Senioren mit Migrationsgeschichte zu erreichen, sollen Sprach- und Kulturmittlerinnen zum Einsatz kommen. Die präventiven Hausbesuche, von denen es bis zu drei pro Person gibt, erfolgen in der Wohnung oder im Haus der Seniorin oder des Seniors. Über eine Begleitung durch Angehörige entscheiden die Senioren selbst. Auf Wunsch kann das Treffen auch an einem anderen Ort stattfinden. Ein kleines Geschenk vonseiten der Stadt soll die Kontaktaufnahme erleichtern.
Das Modellprojekt „Präventive Hausbesuche in Moisling“ wurde von 2019 bis 2021 erprobt. Ältere Personen ab dem 65. Lebensjahr ohne Pflegegrad erhielten bis zu drei präventive Hausbesuche. Das wurde von sechs Krankenkassen, aus kommunalen Mitteln sowie Mitteln des Trägers Caritas Lübeck finanziert. 2022 wurde das Angebot verlängert und auf angrenzende Stadtteile ausgeweitet.
In den vier Jahren erfolgten insgesamt 162 Hausbesuche. Das durchschnittliche Lebensalter der Besuchten betrug 81 Jahre, 75 Prozent waren Frauen. Etwas mehr als die Hälfte der Senioren und Seniorinnen war verwitwet. Knapp 70 Prozent lebten allein. Als größte Sorgen äußerten die Besuchten den Verlust der Selbstständigkeit und Mobilität, die Sorge vor Einsamkeit und vor dem Verlust der Wohnung.
Die Beraterinnen konnten die Teilnehmenden über allgemeine Hilfs- und Unterstützungsangebote, Unterstützung im häuslichen Umfeld, Leistungen der Pflege- und Krankenkassen, bauliche Anpassungen der Wohnungen und über soziale Kontaktmöglichkeiten informieren. Aus Datenschutzgründen durfte die Stadt die Senioren nicht direkt anschreiben, sondern musste das Angebot über Flyer öffentlich machen.
Aber lohnt sich der Aufwand für die geringe Beteiligung? „162 Hausbesuche in vier Jahren, ich bin erschrocken, wie wenige das sind“, sagte SPD-Sozialpolitikerin Renate Prüß. Ihre Fraktionskollegin Sandra Odendahl warb dafür, das Angebot über die Hausärzte zu verbreiten: „Zu denen herrscht bei Seniorinnen und Senioren ein besonderes Vertrauensverhältnis.“
Die Verwaltung geht aber davon aus, dass die Zahl zunimmt. Das Modellprojekt war in die Corona-Zeit mit Lockdowns gefallen, die Senioren durften nicht direkt angeschrieben werden, und es durften nur Menschen ohne Pflegegrad teilnehmen. Das ist künftig alles anders. Die Verwaltung hält eine Beteiligung von drei bis vier Prozent der Angeschriebenen für realistisch – das wären 66 bis 88 Hausbesuche im Jahr.
Die Stadt wird zwei Sozialpädagogen dafür einstellen. „Die sollen aber nicht in der Verwaltung sitzen, sondern die alten Leute aufsuchen“, fordert die CDU-Sozialpolitikerin Michelle Akyurt.