Lengning berichtet von Autofahrern, die extra langsam fahren, um aus dem Fenster heraus zu pöbeln. „Manchmal kommen Menschen in ihren Autos ganz dicht auf uns zugefahren, so, als ob sie einen überfahren wollen. Und auf die Scheiben unseres Baggers wurden letztens rohe Eier geworfen“, sagt der 44-Jährige. „Man quält sich hier mit Leuten herum, das ist schrecklich. Die haben gar keine Ahnung, was wir hier überhaupt machen. Kann man nicht ein bisschen Verständnis zeigen?“
Offenbar nicht. Die Wut der Menschen, die durch die Baustelle des Landesbetriebs für Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein (LBV) in ihrem Alltag eingeschränkt sind, scheint größer zu sein als ihre Vernunft. Der LBV erneuert dort ein Stück Radweg – und wollte damit schon viel weiter sein. Aber es kam immer wieder zu Verzögerungen, die Wut der Anwohner wurde immer größer.
Eltern haben sich beschwert, dass sich ihre Kinder die Landstraße mit Autos teilen müssen. Autofahrer haben sich beschwert, dass dort wegen der Radfahrer Tempo 30 eingeführt wurde. Anwohner haben sich beschwert, dass auf der Baustelle wochenlang Stillstand herrschte. Und nun beschweren sich Bauarbeiter, weil sie von Anwohnern bedroht werden. Inzwischen haben sie die Polizei eingeschaltet.
Denn als die Straßenbauer eines Morgens zu ihrer Baustelle kamen, fanden sie einen Zettel, der an ihrem Bagger angebracht war. Darauf stand: „Zwei Monate faulenzen und dann noch den fuck Brückentag nehmen! Macht diesen scheiß Radweg wieder nutzbar und lasst euch hier nie wieder blicken, ihr Versager!“ Darunter steht noch der Vermerk: „PS: Bald gibt es mehr als rohe Eier!“„Das ist eine klare Bedrohung, die wir der Polizei übergeben haben. Wir können uns nicht alles gefallen lassen“, sagt Dennis Kreutzfeldt, der ebenfalls auf der Baustelle arbeitet. „Wir machen hier bloß unsere Arbeit, aber werden von Leuten angepöbelt. Das ist hier auf dieser Baustelle schon etwas Besonderes.“
Kreutzfeldt ist schon seit rund 20 Jahren Bauarbeiter, aber Pöbeleien, Beleidigungen und Bedrohungen in diesem Ausmaß habe er noch nicht erlebt. „Alle wollen ordentliche Straßen. Aber dann wird aus dem Auto oder vom Fahrrad gebrüllt und beleidigt. Ich verstehe das nicht.“
Der Lübecker Polizei liegt der handgeschriebene Zettel vor. „Es wird derzeit geprüft, ob der Inhalt, der sich auf die aktuelle Baustellensituation bezieht, Straftatbestände erfüllt“, sagt ein Polizeisprecher.
Einer der Anwohner, der sich seit den ersten Verzögerungen der Baustelle besonders echauffiert, ist Marco Unger. „Ich muss gestehen, dass ich jemand bin, der eine große Klappe hat“, sagt der 29-Jährige. „Es kann schon sein, dass ich den Bauarbeitern ein paar flapsige Sprüche gedrückt habe. Aber das war nicht böse gemeint.“
Mit Bedrohungen habe Unger nichts zu tun, den Zettel habe er auch nicht geschrieben. „Ich werde mich mal bei meinen Nachbarn umhören und versuchen, für Ruhe zu sorgen. Bedrohungen gehen natürlich gar nicht, das ist zu heftig.“