Er hat während seiner jahrelangen Arbeit als Baumkontrolleur bereits einige Bezeichnungen für sich gehört, darunter „Lübecks Baumvater“. Sie ist als „Teamleiterin Baum“ im April in Lübeck dazugestoßen.
Beide kümmern sich mit weiteren Mitarbeitern um die von ihnen rund 80.000 erfassten Bäume in Lübeck, deren Bedeutung mit Blick auf den Klimawandel mehr und mehr in den Fokus rückt, aber nicht neu ist. „Wir haben schon immer darauf geachtet, welche Bäume mit hohen Temperaturen und Trockenstress klarkommen, welche Arten gut gepflanzt werden und wie wir den Baumbestand halten können“, sagt Nicole Ebner. „Es gibt heute aber neue Projekte und Bezeichnungen dafür – wie Klimabäume“ – also Bäume, die gegen Klima-Veränderungen resistent sind.
Das herauszufinden, ist ein fortlaufender Prozess, bei dem die Bäume immer wieder unter die Lupe genommen werden. Sieben Baumkontrolleure in Lübeck kümmern sich darum, sagt Jens Wandel. Und die sind so geübt, dass sie oft sehr schnell erkennen können, ob ein Baum gesund ist oder bereits Krankheitssymptome aufweist – wie etwa Dellen, Verfärbungen oder Bohrlöcher. Fest steht: Durch die Klima-Veränderung sind manche Bäume ohnehin schon etwas angeschlagener, Pilzkrankheiten haben dann leichteres Spiel. „Die Bäume sprechen da aber eine Sprache. Wie der Mensch macht der Baum deutlich, wenn es ihm nicht gut geht“, sagt Nicole Ebner.
Doch wie beim Menschen ist eine Krankheit manchmal auch nicht auf den ersten Blick erkennbar. „Manchmal sind die Schäden an der Wurzel oder ganz oben an der Krone, da muss man schon genau hinsehen“, sagt Jens Wandel.
Dann ist es umso wichtiger, dass das Team transparent arbeitet. „Manchmal wundern sich Lübecker darüber, dass wir bestimmte Bäume fällen. Aber das hat immer einen Grund“, sagt Wandel. Generell versucht das Team von Stadtgrün und Verkehr immer, die Bäume so lange, wie es eben geht, stehenzulassen. Für gefällte Bäume werden neue gepflanzt.
Dabei sollen möglichst verschiedene Baumarten gewählt werden – insgesamt 72 von 73.000 Baumarten, die es weltweit gibt, stehen in Lübeck. Eine Besonderheit: Als Partner des europäischen Projektes „Klimawandel und Baumsortimente der Zukunft″ testet die Hansestadt derzeit einige neue Baumarten.
Die Idee dieses Projektes: Auf verschiedenen „Echtstandorten“ im innerstädtischen Raum wird geschaut, wie die Bäume mit Stressfaktoren umgehen: künstliches Umfeld, beengte Baumgruben, eingeschränktes Wurzelwachstum, Bodenverdichtung, Versiegelung, unzureichende Wasserversorgung, blockierter Gasaustausch, Verkehrslast, Hundeurin, Streusalz, extreme Temperatur, Wärmeabstrahlung von Gebäuden auch in der Nacht. Für einige Gebiete in Norddeutschland kommen salzhaltige Luft sowie der Wind hinzu.
Man erhofft sich nun, an den 20 in Lübeck gepflanzten Arten zu erkennen, welchen Einfluss die genannten Faktoren haben und ob die klimaresistenteren Bäume auch hier klarkommen – darunter der Eisenholzbaum (aus Südwestasien), die Zelkove (China, Japan, Korea) oder auch der Südliche Zürgelbaum (Südeuropa, Westasien). Besonders gut entwickelt haben sich zum Beispiel schon die Baumarten Resista-Ulme (Züchtung aus den USA), Perlschnurbaum (China, Korea), Rotesche (Nordamerika), Blumenesche (Südosteuropa), Ungarische Eiche, Silberlinde und Zerr-Eiche (alle drei Südosteuropa, Westasien).
Doch egal, welche Arten in Zukunft das Stadtbild prägen: Hauptsache, es stehen überhaupt Bäume hier. Denn wie würde eine Stadt ohne Bäume aussehen? Nicole Ebner schmunzelt – absolut unvorstellbar für sie. „Man muss sich nur mal einige Zahlen ansehen, was ein Baum, neben dem Positiven für Tiere, für die Menschen leistet. Dann wird deutlich, wie wichtig er ist“, sagt sie. „Stündlich produziert er rund 1200 Liter Sauerstoff – das entspricht in etwa der Menge, die ein Taucher braucht, um 50 Minuten unter Wasser bleiben zu können. Ebenfalls stündlich verarbeitet er 2,4 Kilogramm Kohlendioxid.“
Im Verlauf eines sonnigen Tages verdunstet der Baum rund 400 Liter Wasser und kühlt seine Umgebung ab – „das können schon mal bis zu 5 Grad sein, mit Blick auf die Erwärmungen ist das wichtig“, sagt Nicole Ebner. „Und er bindet übers Jahr gerechnet mehr als 100 Kilogramm Staub aus der Luft. Bäume können die ganzen schlechten Dinge filtern, damit wir atmen können.“ Ganz schön viel Leistung von den Bäumen – vor allem, wenn man bedenkt, wie alt einige von ihnen bereits sind.