„Der Neubau ist notwendig, um das bestehende Defizit – immerhin fehlen in Lübeck aktuell rund 2120 Wohnungen – abzubauen“, sagt Matthias Günther, Leiter des Pestel-Instituts. „Aber auch, um abgewohnte Wohnungen in alten Häusern nach und nach zu ersetzen.“ Dabei gehe es insbesondere um Nachkriegsbauten, bei denen sich eine Sanierung nicht mehr lohne.
Der Wissenschaftler geht von einer sinkenden Bautätigkeit aus: Günther spricht von einem „lahmenden Wohnungsneubau, dem mehr und mehr die Luft ausgeht“. Laut dem Forschungsinstitut gab es in den ersten fünf Monaten dieses Jahres in ganz Lübeck lediglich für 129 neue Wohnungen eine Baugenehmigung. Zum Vergleich: In 2023 waren es im gleichen Zeitraum immerhin noch 219 Baugenehmigungen. „Damit ist die Bereitschaft, in Lübeck neuen Wohnraum zu schaffen, innerhalb von nur einem Jahr um 41 Prozent zurückgegangen“, sagt Matthias Günther.
Nach Zahlen des Zensus standen im Mai 2022 insgesamt 3487 Wohnungen in Lübeck leer. 1526 oder 43,8 Prozent waren seit zwölf Monaten oder länger nicht genutzt. „Dabei geht es allerdings oft um Wohnungen, die auch keiner mehr bewohnen kann. Sie müssten vorher komplett – also aufwendig und damit teuer – saniert werden“, sagt Matthias Günther.Grundsätzlich sei ein gewisser Wohnungsleerstand aber immer auch notwendig. „Rund drei Prozent aller Wohnungen, in die sofort jemand einziehen kann, sollten frei sein. Schon allein, um einen Puffer zu haben, damit Umzüge reibungslos laufen können“, sagt Günther.
Das Pestel-Institut hat die Regional-Analyse zum Wohnungsmarkt im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) angefertigt. Für dessen Präsidentin Katharina Metzger steht fest: „Der Wohnungsbau ist auch in Lübeck das Bohren dicker Bretter.“ Metzger fordert, die Baustandards zu senken: Andernfalls baue bald keiner mehr. „Am Ende stoppen überzogene Förderkriterien, Normen und Auflagen den Neubau von Wohnungen.“ Auch Landkreistagspräsident Reinhard Sager aus Ostholstein hatte zuletzt eine Entbürokratisierung gefordert und den Mietwohnungsbau, der unter den vielen Vorschriften leide, als Beispiel genannt.BDB-Präsidentin Metzger und das Pestel-Institut kritisieren zudem den geplanten Bundeshaushalt für 2025: Darin fehlten dringend notwendige Fördermittel für den Wohnungsneubau – allen voran für den sozialen Wohnungsbau. Der benötige nach Berechnungen des Pestel-Instituts mindestens zwölf Milliarden Euro pro Jahr von Bund und Ländern. Der Bund stelle für 2025 jedoch lediglich 3,5 Milliarden Euro bereit.
Die Investitionsbank Schleswig-Holstein hat angekündigt, weniger Geld auszuschütten. 170 Millionen Euro stehen im nächsten Jahr für die Förderung von neuen Sozialwohnungen bereit. Hinzu kommen Mittel des Bundes, sodass es unterm Strich 280 Millionen Euro sind. Laut Förderbank lägen bereits Anträge für deutlich mehr als 200 Millionen Euro vor. Lübeck hat beim Land 22 Bauprojekte für 2025 angemeldet.„Der Wohnungsbau bleibt ein herausforderndes Thema für Lübeck, insbesondere wenn Landesmittel gekürzt werden“, sagt Peter Petereit, Fraktionschef von SPD und Freien Wählern. „Die Stadt kann den Wohnungsbau nicht allein aus eigener Kraft vorantreiben – das würde jede Kommune überfordern.“