Früher waren diese Kleingärten ein Sehnsuchtsort für ihre Besitzer. Wer einen Spaziergang entlang des abgesperrten Gebietes macht und seiner Fantasie freien Lauf lässt, der kann es vielleicht noch sehen: glückliches Gartenleben, Kaffeetafeln an Plastiktischen, springende Kinder auf dem Trampolin, voll hängende Johannisbeersträucher. Heute ist davon auf der Parzelle 656 nichts mehr übrig. In verbrannten Büschen tollen Spatzen, der Fahnenmast daneben ist schwarz verkohlt. Wenige Meter weiter weist eine immer noch prachtvoll blühende Rose den Weg in einen Garten, den es schon lange nicht mehr gibt.
Der frühere Garten ist einer von 14, in denen es in den vergangenen Monaten gebrannt hat. Erst im Mai brannten auf dem Gelände zwischen der Grapengießerstraße und der Straße Lübschenfeld fünf ehemalige Gärten in Reihe nieder.
Dabei sollte alles ganz anders kommen: Schon seit Jahren gibt es Pläne, das Gewerbegebiet auf die brach liegende Fläche zu erweitern. Dafür gaben hunderte Kleingärtner ihre Paradiese auf. Dem in finanzielle Not geratenen Kleingärtnerverein Buntekuh kam das recht: Er schrumpfte sich gesund, heute sind noch rund 360 Gärten übrig.
Einige von ihnen grenzen direkt an das verlassene Gelände. Der Kirschenweg bildet die Grenze. Der Weg ist zweigeteilt. Auf der einen Seite bewirtschaften einige Gärtner noch ihre Parzellen, die Gärten auf der anderen Seite des schmalen Weges sind mit einem Bauzaun abgegrenzt.
„In dem Bereich wollen viele ihre Gärten aufgeben“, weiß Monika Hinz. Hinz ist im Vorstand des Kleingärtnervereins Buntekuh, kennt das Gelände und die Kleingärtner vor Ort. Die Gärtner im Kirschenweg hätten laut Monika Hinz keine Lust mehr. Nur wenige Meter von ihren Gärten entfernt türmt sich der Müll auf den verlassenen Parzellen. In den Gärten lagert so ziemlich alles. Überreste aus den Gärten, Elektrogeräte bis hin zu alten Herden, Lkw-Reifen, ranzige Sofas, verfaulte Lebensmittel. „Den Gärtnern im Kirschenweg laufen die Ratten über die Füße“, sagt Monika Hinz. „Darauf hätte ich auch keine Lust.“
Und dann ist da noch die Angst. Denn der Weg ist schmal, Flammen könnten leicht auf die noch genutzten Parzellen übergreifen. Gerade, wenn es trockener ist. „Die Stimmung im Verein ist deswegen wirklich schlecht“, sagt Monika Hinz. Sie selbst würde in das verlassene Gelände nicht mehr hineingehen. „Es ist gruselig, viele schräge Gestalten laufen dort herum“, sagt die Kleingärtnerin.Das bestätigt Kai Kröger von der Obdachlosenhilfe Lübeck. „Uns sind mindestens drei Menschen bekannt, die regelmäßig oder dauerhaft in dem verlassenen Gelände leben“, sagt der zweite Vorsitzende des Vereins. In den Bränden im Gelände sieht Kröger durchaus eine Gefahr für die Obdachlosen.
Wer für die Feuer verantwortlich ist, weiß Monika Hinz nicht. „Es könnten Jugendliche sein, es könnten Obdachlose sein, die sich etwas warm machen wollen und dabei versehentlich Feuer entfachen“, sagt sie. „Manchmal habe ich aber auch schon befürchtet, dass dort ein richtiger Feuerteufel unterwegs ist.“ Es könne aber wirklich jeder sein, so Hinz. Denn auf das Gelände komme man problemlos. Und tatsächlich: Viele Bauzäune sind lückenhaft, an einigen Stellen fehlen sie komplett. Auch die Lübecker Polizei hat keine Hinweise auf Täter.
Die städtische KWL, die für das Gelände zuständig ist, will nun besser kontrollieren. Ein Wachdienst sowie Kameras sollen den Job erledigen. Außerdem sollen Schneisen in das zugewucherte Gelände geschlagen werden. Bei dem Feuer im Mai war die Feuerwehr nämlich kaum noch durchgekommen. Und: Die KWL prüft derzeit, ob Lauben kurzfristig zurückgebaut werden können. . Erschlossen werden soll das Baugebiet aber erst 2027. Viel Zeit für viele neue Brände.