Den Politikerinnen und Politikern lag ein Papier der Verwaltung vor, in dem verschiedene Varianten durchgerechnet wurden. Am günstigsten wäre ein Rechtsstreit mit den Herrentunnel-Betreibern über zwei Instanzen, der rund 1,9 Millionen Euro kosten würde. Deutlich teurer wäre die Übernahme der Maut teilweise oder ganz durch die Hansestadt. Die vollständige Übernahme würde die Hansestadt in den nächsten zehn Jahren 92 Millionen Euro kosten.
Der Rückkauf der Betriebskonzession aber schlägt alles. Je nach Zeitpunkt müsste die Hansestadt bis zu knapp 1,5 Milliarden Euro hinblättern. „Diese Kaufpreise sind Mondpreise, die der Betreibergesellschaft exorbitante Renditen sichern würden, aber nichts mehr mit den heutigen Mauteinnahmen zu tun haben“, erklärte Grünen-Fraktionschef Axel Flasbarth bereits vor der Bürgerschaftssitzung, „ein realistischer Kaufpreis würde um ein Vielfaches geringer sein.“
Auch der Gemeinnützige Verein Kücknitz hat diese Summen als „Nebelkerzen“ zurückgewiesen. „Der Tunnel nimmt jährlich zwischen acht und zehn Millionen Euro an Gebühren ein, sagt der Vorsitzende Georg Sewe. Bis zum Auslaufen der Konzession könnte der Betreiber überschlägig maximal 200 Millionen Euro einnehmen. Sewe: „Nur dies kann also eine Gesprächsgrundlage sein.“
Die Kücknitzer kritisieren auch die Beratung hinter verschlossenen Türen in der Bürgerschaft. „Alle Zahlen stehen in der Bilanz und dem Geschäftsbericht einer GmbH“, sagt Georg Sewe, „diese Geheimniskrämerei schürt Misstrauen.“
Der Gemeinnützige Verein kann mit der jüngsten Entscheidung der Bürgerschaft bereits den zweiten Erfolg für sich reklamieren. Ende März demonstrierten Kücknitzer vor dem Rathaus und forderten die Politiker auf, sich gegen eine vom Herrentunnelbetreiber beantragte Verlängerung der Konzession um zehn Jahre auszusprechen. Dem folgte eine Mehrheit in der Bürgerschaft. Und jetzt fordert eine Mehrheit in der Stadtvertretung die Verwaltung zu Verhandlungen mit der Betreibergesellschaft auf.
Ob es aber tatsächlich zu Rückkauf oder Mautübernahme kommt, hängt von den Verhandlungsergebnissen ab. „Die Einführung der Maut war ein Fehler“, erklärt FDP-Fraktionschef Thorsten Fürter auf LN-Anfrage, „jetzt müssen wir Lösungen suchen, die den Haushalt nicht sprengen.“Und es ist auch eine juristische Frage. Die Verwaltung hat in ihrem Papier die rechtlichen Risiken aufgelistet. Eine Übernahme der Maut nur für Lübecker oder gar nur für Bewohner bestimmter Stadtteile stehe im Widerspruch zum Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Diskriminierungsverbot.
Der Gemeinnützige Verein kritisiert unterdessen die SPD, die gegen den Verhandlungsantrag gestimmt hat. „Deren Motivation, sich gegen eine Entlastung der Bürger zu entscheiden, die bisher eine massive finanzielle Belastung tragen mussten, erschließt sich uns nicht“, sagt Georg Sewe. „Wir sind nicht gegen die Entlastung der Bürger“, stellt SPD-Fraktionschef Peter Petereit klar, „aber wir wollen den Bürgern keinen Sand in die Augen streuen: Der Rückkauf ist für Lübeck nicht möglich.“ Die SPD sei aber für die Entlastung bei der Maut, wenn das rechtlich möglich sei, erklärt Petereit: „Im Übrigen laufen die Gespräche zwischen Stadt und Herrentunnelbetreiber längst.“