Während der Bahnsteig schon relativ fertig aussieht, die blauen Schilder „Lübeck-Moisling“ hängen und auch die gläsernen Unterstände auf Reisende warten, ist die Zuwegung noch in Arbeit. Oben auf der Brücke über den Gleisen liegt bereits die weiße Umrandung einer Verkehrsinsel. Ein Bushaltestellen-Häuschen steht in der Einsamkeit. 650 Meter lang ist das Baufeld, das von den Bahnschienen bis zum Gesundheitszentrum reicht.
Am Oberbüssauer Weg schiebt Anwohner Nils Bartos einen Kinderwagen durch ein Spalier rot-weißer Absperrungen. „Es wäre schön, wenn die Bauarbeiten bald fertig wären“, sagt er. Er ist Mitglied der Feuerwehr Büssau. Wenn er zum Einsatz muss, muss er derzeit einen Umweg fahren – 20 statt sieben Minuten braucht er aktuell. Trotz aller Einschränkungen: Auf den neuen Bahnhaltepunkt freut er sich. „Den werde ich nutzen, er ist für mich fußläufig erreichbar. Das ist schon schön.“
Der Moislinger Pastor Christian Gauer, zugleich Vorsitzender des Gemeinnützigen Vereins und erster Vorsitzender des Beirats Soziale Stadt in Moisling, spürt die Vorfreude im Stadtteil. „Die Menschen hier sind dankbar. Sie sehen, dass es vorangeht“, sagt er.
Der Beginn der Umsetzung sei holprig gewesen. Im vergangenen Sommer hatte es viel Unmut gegeben, weil die Stadt die umfangreichen Arbeiten sehr spät kommuniziert hatte. Inzwischen sei die Stimmungslage eine andere: „Die Moislinger sehen, dass viel investiert wird“, sagt Gauer. Vor allem, wenn man bedenke, dass anderswo Projekte gestrichen würden, es in Moisling aber weitergehe. Auch die Wohnungsbaugesellschaft „Trave“ sei sehr engagiert. „Das wirft ein tolles Licht auf Moisling. Wir freuen uns.“Auch wenn das Durcheinander von Baufahrzeugen, Absperrungen und Baumaterial auf den außenstehenden Betrachter noch sehr unübersichtlich wirkt, sagt die Stadt: „Die Arbeiten liegen im Zeitplan.“ Bis zur Inbetriebnahme des Bahnhaltepunktes werde die Erreichbarkeit zu Fuß, mit dem Rad, dem ÖPNV und dem Pkw sichergestellt sein. „Geh- und Radwege werden bis dahin Tragschichten haben. Die Deckschichten werden im Frühjahr 2024 hergestellt“, sagt Stadtsprecherin Nicole Dorel. Auch die Fahrbahn des Oberbüssauer Wegs sowie die Bushaltestellen würden dann fertig sein. Bahnkunden könnten erste Parkplätze nutzen. „Der Rest wird in 2024 gebaut“, sagt Nicole Dorel. Die Buslinien 5, 7, 11 und 12 sollen den neuen Bahnhaltepunkt anschließen.Auch am Haltepunkt selbst ist bis zum 10. Dezember noch einiges zu tun. „Bis dahin sind noch Arbeiten zu erledigen wie Kabelarbeiten, Pflasterarbeiten, Montage von Uhren und Fahrgastinfo-Systemen, Herstellung des Gehwegs zum Bahnsteig (Zugang Nordost)“, teilt eine Bahnsprecherin schriftlich mit. „Nach der Inbetriebnahme werden noch Restarbeiten erforderlich wie zum Beispiel das abschließende Begrünen von Böschungen entlang der beiden Bahnsteige sowie der Rückbau von Baustraßen und Baustelleneinrichtungsflächen.“ Über zehn Millionen Euro kostet der neue Bahnhaltepunkt insgesamt.In den Fahrplänen der Bahn sind die Verbindungen vom neuen Moislinger Bahnhof aus bereits eingearbeitet. Laut der Seite www.bahn.de fährt der erste Zug von Moisling nach Hamburg Hauptbahnhof am Sonntag, 10. Dezember, um 1.15 Uhr. Reinfeld erreicht er sechs Minuten später, Bad Oldesloe nach 13 Minuten, und bis Hamburg Hauptbahnhof dauert es 38 Minuten. Laut Fahrplan startet der erste Zug in Richtung Travemünde am Sonntag um 0.45 Uhr. Fahrzeit zum Lübecker Hauptbahnhof: sieben Minuten. Bis Travemünde Strand dauert es 41 Minuten. Die Strecke wird tagsüber jeweils im Halbstundentakt bedient. Der Nahverkehrsbund Nah.SH rechnet mit täglich bis zu 1300 Ein- und Aussteigern in Moisling.Nach Eröffnung des Bahnhaltepunktes müsse man ein Auge darauf haben, wie sich der Verkehr entwickeln wird, sagt Pastor Christian Gauer. Er geht davon aus, dass die Station auch Menschen aus anderen Stadtteilen anlocken werde, die nicht alle mit dem Bus oder dem Fahrrad kommen werden. Sollte es so weit kommen, müsse man über den Bau einer neuen Zufahrt in den Stadtteil nachdenken.
Im Landesweiten Nahverkehrsplan ist der Bau eines weiteren neuen Bahnhaltepunkts in Lübeck-Genin vorgesehen. „Derzeit gibt es keinen Umsetzungszeitraum“, sagt Nah.SH-Sprecherin Ina Michael. Die Maßnahme sei nicht priorisiert, weil sie nicht oder nicht ausreichend finanziert sei. „Sofern finanzielle Mittel bereit ständen, könnte möglicherweise zumindest die Planung beginnen.“