Das Publikum, nur unwesentlich weniger betagt als so manches Stück auf den weißen Tischtüchern, überreicht ihr edle Stücke aus vergangenen Zeiten zur Begutachtung. Aber es geht ja hier auch nicht um Geschirr von Ikea, sondern um Schätze aus den Schränken und Küchen der Mütter und Großmütter.
Borges, promovierte Kunsthistorikerin mit Schwerpunkt Porträtmalerei, erweist sich als gut vorbereitete Expertin. „Porzellan ist eine große Leidenschaft von mir“, sagt sie und stellt das sofort unter Beweis. Denn gleich das erste Stück, das sie begutachten soll, sprengt den Rahmen all der Teller und Tassen und Zuckerdosen, die zumeist in dezentem Weiß mit zurückhaltendem Dekor daherkommen.
Christian Schöning aus Lensahn hat ein ungewöhnliches Stück mitgebracht. Eine hohe Kanne, reich verziert mit Blumen auf dunkelgrünem Grund. Und er hat eine wunderbare Geschichte dazu zu erzählen. Seine Großmutter hat die Kanne 1929 auf einer Tombola in Harmsdorf gewonnen. Und weil sie an diesem Tag krank war, durfte sie mit der jung verheirateten Prinzessin Gustava von Waldeck und Pyrmont, geborene von Platen-Hallermund von Gut Weissenhaus, in der Kutsche nach Harmsdorf fahren.
Mit dabei: die ungewöhnliche Vase. Denn die hatte die Prinzessin für die Tombola gestiftet. Und so kam es, dass die Vase auf der Hinfahrt von der Prinzessin auf dem Schoß gehalten wurde und auf der Rückfahrt von Schönings Großmutter.
Doch woher kommt die Vase? „Es ist eine iranische Kanne mit einer orientalischen Bemalung, kein Porzellan, sondern Keramik“, sagt Borges. Mit einem dezenten Schlag eines Stiftes gegen den Rand des jeweiligen Teils stellt sie am Klang fest, mit welchem Material sie es zu tun hat. Die Kanne hatte schon damals dieselbe Funktion wie vermutlich heute noch im Hause Schöning – Dekoration: herumstehen und schön aussehen. Borges: „Es ging nicht um die Funktion.“
Weiter geht es mit großen und kleinen Tellern, mit Tassen und Zuckerdosen, alles Einzelteile, und doch steckt viel mehr dahinter, was nicht mit ins Schloss gebracht wurde. Bei dem einen ein normales Service, bei der anderen eine Ausstattung von 120 Teilen für große Gesellschaften.
Oft gibt der Boden Auskunft über Alter und Herkunft. „Man kann keine sicheren Aussagen machen, wenn man keine Marken hat“, stellt Borges fest und kann das eine oder andere nur vermuten. Oder mit ihrem Fachwissen punkten. Bei einem Teeservice mit grünem Rand hat sie die Manufaktur an den in einer bestimmten Form verzierten Henkeln erkannt: Christian Fischer aus Zwickau.
Monika Girndt hat ein tanzendes Paar mitgebracht. „Sehr interessant und seltsam“, stellt Borges fest. Die Figuren entsprächen dem Art Deco, die Kleidung eher nicht, aber es gibt berühmte Vorbilder. So etwas habe in den 30er Jahren im Trend gelegen. Die seltsame Kanne von Schöning war um die Jahrhundertwende in Mode. 1929 hatte sich der Geschmack möglicherweise schon geändert, sodass die Prinzessin sie ohne Bedauern für die Tombola stiften konnte. „Oder es war ein Hochzeitsgeschenk, das nicht passte“, spekuliert Borges.
Nicht alle Interessenten kamen diesmal zum Zug, mussten sich mit Zuschauen und Zuhören begnügen. Deshalb gibt es im nächsten Jahr im Eutiner Schlosseine Neuauflage.