Ostsee-Küstenlauf wird zur sonnigen Tagestour
Einzigartiges Event in Deutschland – 4666 Wandern beim Megamarsch zwischen Scharbeutz und Grömitz

Jede Menge Teilnehmer beim Megamarsch in Ostholstein: Hier startet die erste Gruppe an Läufern um 7.30 Uhr in Scharbeutz.Foto: Arne Jappe
Grömitz/Scharbeutz. Frohe, wache Gesichter, hohe Sonnenbrille-Dichte. Alle Altersgruppen zwischen 20 und 60 sind vertreten. Es wird geflachst, geschnackt. Viele lernen sich gerade erst im Scharbeutzer Sonnabend-Sonnenschein kennen. Und das am frühen Morgen. Das muss man wollen, um kurz nach sieben. Genau so ist es. Denn die Wanderinnen und Wanderer starten beim Megamarsch Ostsee.

Gleich geht’s 50 Kilometer an der Ostsee entlang bis nach Grömitz. Dann wird’s voll im Startbereich, direkt an der Touri-Info am Rande des Kurparks. 7.30 Uhr. Die erste Gruppe startet − und jubelt gleich mal. Der Andrang dahinter bleibt groß. Für viele ist die Phase zu Beginn des Laufs schon besonders, sie sammeln sich, sind aufgeregt, gehen die Strecke nochmal durch.

Nicole Kellert aus Hannover, die mit drei Freunden unterwegs ist, beschreibt diese Momente so: „Ich werde immer sentimental am Anfang.“ Es sei ein tolles Gefühl, mit anderen gemeinsam einen Weg zu gehen, bei dem man letztlich nicht wisse, wo er ende. Wahrscheinlich werden 90 Prozent der Wanderer in der vorgeschriebenen Zeit von zwölf Stunden oder weniger angekommen.

Im Zielort von Kellerts Marsch-Crewsind Vera Wehrum und Thomas Gerbergestartet. Sie laufen die umgekehrte Strecke, haben ihre Hunde, „Trixi“ und „Thor“, dabei. 13 der 50-Kilometer-Routen gibt es mittlerweile übers Jahr verteilt in ganz Deutschland. Aber nur an der Ostsee geht’s in beide Richtungen.

Wehrum und Gerber sind in kurzen Hosen bei „super Laufwetter“ − nicht heiß, trocken und ein bisschen Wind − gut losgekommen, fühlen sich um Kilometer 22 richtig fit. Nun kommen ihnen zwischen den Verpflegungspunkten in Bliesdorf und Neustadt fixe Marschierer aus Scharbeutz entgegen. Es wird gegrüßt, gesungen, gelacht.

Für Vera Kienert aus Hamburg sind diese Begegnungen auf der Strecke ein stiller Schatz in der Lübecker Bucht. „Der Marsch wirkt noch Wochen nach“, sagt sie. Die 60-Jährige ist in dem Format auch schon 100 Kilometer in 24 Stunden gelaufen.

Sie hat sich gerade ein Verpflegungspaket in der Sierksdorfer Station abgeholt. Kurz zuvor ist sie fröhlich an einem Mädchen vorbeigelaufen, das ein buntes Schild hochhält. Der Motivationsgruß darauf kommt bei allen richtig gut an. Die Kleine grinst, sie erntet zahllose Danksagungen im Vorbeigehen. Nachfrage beim Sanitätsteam der Johanniter zu üblichen Beschwerden: Oft gehe es um Erschöpfungszustände, aber bisher und in den letzten Jahren sei nichts Ernstes passiert. Häufigstes Gesprächsthema? „Blasenpflaster.“

Für die meisten Starter, 4666 sind es wohl letztlich, trotz der über 5000 Anmeldungen, kommt der Punkt, an dem die Beine schwer werden, während der Kopf leer ist. Erschöpfung und Entspannung sind gleichzeitig da. „Das ist oft zwischen Kilometer 30 und 35 so“, sagt Nadine Geistert. Sie ist mitdrei Kolleginnen unterwegs. „Viele sind dann für sich, fahren runter.“

Gruppen ziehen sich dann in die Länge, finden nach gewisser Zeit wieder zusammen. Dann in der letzten Verpflegungsstation süß oder salzig Kraft tanken, Marmeladen-Toast oder Brezeln in der Sonne genießen – in Sierksdorf oder im Kloster Cismar, je nachdem wo es losging. „Die letzten fünf Kilometer sind meistens ein bisserl härter“, beschreibt Christoph aus Dresden den Endspurt.

Die Ersten kommen gegen 15.30 Uhr ins Ziel. Bis 21.30 Uhr folgen Tausende Küstenläufer, zufrieden, wie etwa Jordan aus Köln, der schon am Start angekündigt hatte: „Ich durchlebe jede Gefühlswelt einmal am ganzen Tag – Freude, Wut, Hass, Zuversicht. Alles ist dabei.“ und jsch
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