Doch wie dramatisch ist die Lage wirklich? Beim Kreis Ostholstein hat sich offenbar noch niemand mit den Zahlen beschäftigt. „Dem Kreis Ostholstein liegen hierzu keine Daten vor“, teilt eine Sprecherin mit. Niemand weiß also, wie viele Zweitwohnungen es kreisweit gibt. Beispiele aus den Kommunen zeigen jedoch das Ausmaß der Problematik. In Scharbeutz hat es seit den Coronajahren zum Glück keine Hassbotschaften für auswärtige Besucher mehr gegeben. Dabei ist die Kommune als beliebter Küstenort direkt an der Ostsee besonders betroffen. Die Gemeinde hat etwa 7700 Haushalte mit Erstwohnsitz. Die Zahl der Wohnungen wird sich dem ungefähr angleichen. „Tatsächlich haben wir zudem rund 5000 Zweit- und Nebenwohnungen“, erklärt Bürgermeisterin Bettina Schäfer (parteilos). Das bedeutet: Zirka 40 Prozent aller Wohnungen in Scharbeutz sind Zweitwohnungen.
„Seit meinem Amtsantritt haben wir gemeinsam mit der Politik alle Bebauungspläne in die Hand genommen und konsequent geschaut, wo Ferienwohnungen erlaubt sind und wo nicht, gerade um Wohnraum für unsere Bürgerinnen und Bürger zu sichern“, versichert die Bürgermeisterin. Ein Problem bleibe aber die Definition der Zweitwohnung. Schäfer: „Hier ist der Bundesgesetzgeber gefordert. Nach dem Baugesetzbuch ist die Zweitwohnung dem Dauerwohnen gleichgesetzt. Versuche in anderen Kommunen, die Anzahl einzuschränken, sind gerichtlich gescheitert.“
Das bedeutet: Den Betrieb von Ferienwohnungen kann eine Gemeinde regulieren, ob sich jemand aber eine Wohnung als Zweitwohnung kauft oder mietet, ist Privatsache und kann von der Gemeinde nicht eingeschränkt werden. Die Kommune kommt erst wieder ins Spiel, wenn jemand seine Zweitwohnung zwischendurch an Urlauber vermieten möchte, weil sie dann zur Ferienwohnung wird. In Timmendorfer Strand ist die Lage ähnlich. Die Gemeinde hat derzeit rund 8400 Einwohner mit Haupt- und Erstwohnungen. Hinzu kommen rund 3950 „melderechtliche Neben- und Zweitwohnungen“. „Es geht für die Gemeinde nicht darum, die Zweitwohnungen zu unterbinden. Ich würde es regulieren nennen“, sagt Dennis Sontopski, Fachbereichsleiter „Allgemeine Verwaltung und Finanzen“ bei der Gemeinde. Das Problem ist das gleiche wie in Scharbeutz. Sontopski: „Die Gemeinde kann die Anzahl von Zweitwohnungen nur schwer beeinflussen. Es ist über die Bauleitplanung eine Regelung für Ferienwohnungen möglich. Ferienwohnungen sind baurechtlich ein anderer Status als Zweit- und Nebenwohnungen, die sind baurechtlich Dauerwohnungen.“
Bei der Frage, was die vielen Zweitwohnungen für Timmendorfer Strand bedeuten, hält man sich zurück. „An den Diskussionen der Vor- und Nachteile von Zweitwohnungen möchten wir uns nicht beteiligen. Die Gemeinde hat die Verantwortung, dass für alle eine gute Infrastruktur bereitgehalten wird“, erklärt Sontopski.
In kleineren Küstenorten wie Kellenhusen können Gemeinden schnell zur Geisterstadt werden. „Zweitwohnungen machen einen großen Anteil in Kellenhusen aus“, sagt Bürgermeister Stefan Schwardt (CDU). Wie in Scharbeutz schätzt er den Anteil der Zweitwohnungen auf 40 Prozent. Das Problem dieses hohen Anteils liegt für ihn auf der Hand. „Wenn die Wohnungen und Häuser nicht ganzjährig belegt sind, gerät das Ortsgemeinschaftsbild ins Wanken. Im Winter fällt auf, dass wenig los ist, unter der Woche ist alles wie tot. Wenn man am Ende zwei Drittel Zweitwohnungen hat, ist der Ort leer“, prophezeit Schwardt.
Doch Zweitwohnungen haben nicht nur Nachteile für die Kommunen. Über die Zweitwohnungssteuer bringen sie den Gemeinden wichtige Einnahmen. So flossen in Scharbeutz zuletzt fünf Millionen Euro an Zweitwohnungsteuer in den Haushalt ein. Nur die Gewerbesteuer (sechs Millionen Euro) und der Anteil an der Einkommensteuer (sieben Millionen Euro) brachte mehr ein. In Timmendorfer Strand waren es 3,2 Millionen Euro. Die Gemeinde Kellenhusen hatte für zuletzt 1,1 Millionen an Einnahmen berechnet (2023).