Der Richter lässt die Runde kurz gewähren. Dann hebt er den Arm, wartet bis Ruhe einkehrt, eröffnet die Verhandlung. Schon die einfache Feststellung der Personalien wird zum Geduldsspiel. Die Angeklagten, die seit einigen Jahren in Ostholstein leben, kommen aus der Ostukraine. Die Geburtsstädte haben ukrainische und russische Bezeichnungen. Auch die Vor- und Familiennamen haben verschiedene Schreibweisen, werden unterschiedlich ausgesprochen.
Nachdem diese Formalien ausdiskutiert sind, kommt der Staatsanwalt zu Wort. Die Tatvorwürfe: Ende März 2023 sei Nadia Z. (60, Name geändert) in der Filiale eines Drogeriemarktes in Eutin gewesen. Dort habe sie Parfum und Kosmetik im Wert von 165 Euro eingesteckt und versucht, das Geschäft zu verlassen, ohne die Ware zu bezahlen. Eine Kassiererin habe die Flüchtende aufgehalten. Die alarmierte Polizei habe dann die Identität der Diebin festgestellt.
Während der Verlesung und Übersetzung dieser Anklage schüttelt Nadia Z. heftig mit dem Kopf und spricht. „Ich nur Proben genommen, nichts eingesteckt“, übersetzt die Dolmetscherin. Und die Dinge, die sich in ihrer Einkaufstasche befunden hätten, habe die Angeklagte bezahlen wollen.
An der Kasse habe sie jedoch gemerkt, dass ihr Geld dafür nicht ausreiche. In dieser Situation sei sie schnell auf den Parkplatz gelaufen, um die fehlenden Euro von ihrem Sohn zu holen, der dort gewartet habe. Untermalt wird diese Übersetzung vom eifrigen Nicken und anscheinend zustimmenden Worten der anderen Angeklagten.
Noch lebhafter reagiert das Quartett auf den zweiten Tatvorwurf. Alle vier hätten noch am selben Tag einen gemeinschaftlichen Ladendiebstahl in einer Filiale des gleichen Drogeriemarkts in Malente begangen. Dabei hätten die Angeklagten edle Parfums und teure Kosmetika im Wert von 856 Euro gestohlen, um diese später weiterzuverkaufen, erklärte der Staatsanwalt.
Es folgt eine Welle der Empörung. „Wir haben diese Dinge nicht mitgenommen“, fasst die Dolmetscherin die vielen Kommentare zusammen. Die Stimmen verstummen, als eine Polizistin in den Zeugenstand tritt. Die Beamtin gehörte zu der Streifenwagenbesatzung, die nach dem Ladendiebstahl in Eutin die Personalien der Mutter, des Sohnes und eines Freundes festgestellt hatte. „Eine Woche später kam eine Anzeige aus Malente.“
Auf dem Videomaterial und den Standbildern habe sie drei der vier Täter sofort wiedererkannt. Als weitere Beteiligte konnte schnell die Tochter ermittelt werden. „Die Aufnahmen zeigen den Diebstahl. Man sieht, wie die Flakons aus den Verpackungen genommen und die leeren Kartons ins Regal gestellt werden“, sagt die Polizistin.
Nach dieser bildhaften Schilderung bricht es aus den Angeklagten heraus. Die Dolmetscherin gerät an ihre Grenzen. Am Ende räumen die Täter die Ladendiebstähle ein, bestreiten aber die Verkaufsabsicht. „Wir wollten die Sachen benutzen.“ Der Handel mit Hehlerware wird härter bestraft.
Das Gericht verurteilt die „Haupttäterin“ zu 45 Tagessätzen à 15 Euro. Tochter und Freund müssen 40 Tagessätze à 15 Euro, der Sohn 30 Tagessätze à 15 Euro zahlen. Die Geldstrafen dürfen in Monatsraten à 100 Euro abgestottert werden. Die letzten Worte des Sohns: „Danke und Entschuldigung.“