Polizistin brutal attackiert: Freispruch wird kritisiert
Andreas Breitner bezeichnet das Urteil des Amtsgerichts Eutin als „skandalös“. Staatsanwaltschaft geht in Berufung

Die Gewalttat gegen die Polizistin in Scharbeutz wurde vor dem Amtsgericht in Eutin verhandelt. Nach der Berufung entscheidet nun die nächsthöhere Instanz, also das Landgericht.Foto: Dirk Schneider
Scharbeutz. Kopfschüttelnd und sprachlos reagierten die drei Polizisten im Besucherbereich auf den Richterspruch. Obwohl die Angeklagte eine Beamtin in Scharbeutz mit einem Fußtritt schwer verletzt hatte, wurde sie freigesprochen. Nachdem das Urteil schon im Gerichtssaal in Eutin ungläubiges Erstaunen ausgelöst hat, kritisieren jetzt auch die Gewerkschaft der Polizei und der ehemalige schleswig-holsteinische Innenminister Andreas Breitner (SPD) diese Entscheidung. Die Staatsanwaltschaft Lübeck hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.Ende August musste sich eine 34-jährige Frau aus Wedel (Kreis Pinneberg) wegen schwerer Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie Beleidigung und Bedrohung vor dem Amtsgericht Eutin verantworten.Die stark alkoholisierte Angeklagte hatte Ende Juli 2024 einer Polizistin in Scharbeutz mit einem brutalen Fußtritt ins Gesicht und weiteren Schlägen massive Verletzungen zugefügt.

Die Beamtin erlitt unter anderem einen Jochbeinbruch und Kieferfrakturen. „Ich konnte wochenlang nur pürierte Nahrung essen“, sagte die Geschädigte. Nach einem längeren Krankenhausaufenthalt war sie vier weitere Monate dienstunfähig. Vor Gericht erklärte die Beamtin, dass sie noch heute an den Folgen der Tat leide. „Nicht alles ist verheilt. Einiges bleibt.“

Opfer: „Ich muss

einfach nur raus hier“

Eine Entschuldigung vor Gericht nahm sie nicht an. Die Angeklagte habe dafür über ein Jahr Zeit gehabt und mache dieses Angebot jetzt nur, um im Strafverfahren etwas besser auszusehen, sagte die Polizistin. Wenn die Angeklagte ihre Taten ernsthaft bereue, hätte sie bereits im Zivilprozess entsprechend mitwirken können. Aber das sei nicht geschehen. Nach ihrer Zeugenaussage verließ die Beamtin fast schon fluchtartig den Saal. „Ich muss einfach nur raus hier“, sagte sie.

Die Beweisaufnahme ergab, dass die Angeklagte 2,3 Promille Alkohol im Blut hatte. Zudem wurden beim Drogentest Spuren von THC festgestellt. Die Angeklagte erklärte, dass sie zwar gelegentlich kiffe, an jenem Tag aber nur „drei bis vier Gläser Caipirinha“ mit Freundinnen am Strand getrunken habe. Die starke und plötzliche Wirkung der Cocktails brachte sie in Verbindung mit einem langen Aufenthalt von „sieben Stunden in der Sonne“.

Am Abend bekam die Polizei einen Notruf, dass sich eine augenscheinlich verwirrte Person auf einem Wohnmobilstellplatz in Scharbeutz befinde. Die Streifenwagenbesatzung traf die Angeklagte dort weinend auf einer Bank an.

Die Angeklagte erzählte der Beamtin, dass sie ihre beiden Kinder (im Grundschulalter) vermisse. Die Polizisten halfen bei der Suche. Auf einem Spielplatz am Strand fand man Tochter und Sohn in Obhut einer Bekannten der Angeklagten. Die beiden gerieten in Streit, der immer weiter eskalierte. Plötzlich griff die Angeklagte ihre Freundin an.

Die Polizeibeamten beschlossen, die aggressive Angeklagte als hilflose Person ins Gewahrsam zu nehmen. Beim Transport zur Ausnüchterungszelle leistete die Angeklagte in dem Polizeibus plötzlich Widerstand. Im Liegen auf der Rückbank trat sie der gegenübersitzenden Beamtin plötzlich mit voller Wucht gegen den Kopf. Es folgte ein intensives Handgemenge. Am Ende gelang es den beiden Beamten gemeinsam, die wild um sich schlagende Frau zu fesseln.

Die Angeklagte gab an, keinerlei Erinnerungen an das Geschehen zu haben. Der Richter bewertete die Angeklagte – auch aufgrund der Einschätzung als „hilflose Person“ – als „nicht schuldfähig zum Tatzeitpunkt“. Seine Schlussfolgerung lautete daher Freispruch.

Breitner: „Zweiter

Tiefschlag für die Beamtin“

Andreas Breitner, ehemaliger Innenminister und Vorsitzender des Hilfsfonds für Polizeibeschäftigte in Not, zeigt sich „tief erschüttert“: „Ich finde das Urteil skandalös. Das ist ein zweiter Tiefschlag für die geschädigte Beamtin“, sagt Breitner. In diesem Zusammenhang stelle er sich die Frage: „Was wäre, wenn die Polizistin an den dramatischen Folgen der Schläge gestorben wäre?“

Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) reagiert mit Unverständnis. „Der Freispruch ist fragwürdig“, sagt Jörn Löwenstrom, Vorsitzender der GdP-Regionalgruppe Lübeck-Ostholstein: „Diese Entscheidung des Gerichts macht betroffen und ist nicht nachvollziehbar. Sie dürfte für die Kollegin selbst fast schon genauso schmerzhaft sein wie die damalige Verletzung selbst.“

Die Wirkung einer solchen Rechtsprechung auf Polizisten und Polizisten als Repräsentanten des Staates sei fatal, betont Löwenstrom und Breitner ergänzt: „Es nährt den Boden für diejenigen, die nicht an unseren Rechtsstaat glauben.“

Aus diesem Grund begrüßen beide die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Lübeck, gegen das Urteil des Amtsgerichts Eutin Berufung einzulegen. „Wir hoffen auf eine Korrektur mit einem gerechteren Urteil in nächster Instanz“, sagt Löwenstrom. und dis
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