Fast direkt gegenüber der Colestreet schließt nun ein weiteres Geschäft. Die Weinhandlung Barrique gibt ebenfalls auf. Bis Ende März läuft ein Schlussverkauf, danach gehen die Lichter aus. Eröffnet 2021, habe das Unternehmen von Anfang an mit Herausforderungen zu kämpfen gehabt, berichtet Inhaber Jano Römer. Römer führt die Corona-Pandemie, die hohe Inflation und die weltpolitische Stimmungslage an. Das alles habe dem Einzelhandel stark zugesetzt.
„Und schließlich kam die Baustelle in der Beckergrube noch dazu“, sagt Römer. „Wir wussten schon bei Anmietung des Geschäftes, dass die Beckergrube umgestaltet werden sollte. Das haben wir stets begrüßt. Dass es aber vorab noch über ein Jahr Vorarbeiten gibt, hat uns überrascht. So ist die Baustellenzeit mit fast vier Jahren insgesamt zu lang.“
Die Baustelle führe zu weniger Fußgängerverkehr in der Beckergrube. Römer nennt ihm vorliegende Zahlen: Danach passieren täglich rund elf bis zwölf Prozent weniger Menschen sein Geschäft. „Das entspricht auch etwa den Umsatzeinbußen“, verrät der Geschäftsinhaber.
„Eine Nachricht, die uns sehr traurig stimmt, die aus unternehmerischer Sicht aber absolut nachvollziehbar ist“, kommentiert Olivia Kempke, Geschäftsführerin des Lübeck Management, die Schließungspläne. „Die Summe der Hemmnisse für eine erfolgreiche Unternehmensführung war dann doch zu hoch.“ Auch Römers direkte Geschäftsnachbarin Bahar Tahtali hat in ihrem Restaurant Le Théâtre mit ausbleibender Kundschaft zu kämpfen. Das Ergebnis: Laut Tahtali ist der Umsatz in ihrem Laden mittlerweile um 40 Prozent zurückgegangen.
Zu schaffen macht Tahtali auch, dass die Gäste aus dem gegenüber liegenden Theater ausbleiben. Früher seien viele Theaterfans zu ihr gekommen, nun passiert das nur noch selten. „Viele der Theaterbesucher sind schon älter“, sagt Tahtali. „Die müssen jetzt einen Umweg um die Baustelle herum gehen, wenn sie zu uns wollen. Das machen die meisten aber nicht.“ Dass immer weniger Leute in ihr Restaurant kämen, mache sie ängstlich, sagt Bahar Tahtali. „Wir fragen uns, ob wir überhaupt bis zum Ende der Bauzeit durchhalten.“
Aus dem Umfeld der Beckergrube schießen immer wieder Gerüchte ins Kraut. Sie verbreiten sich durch Mundpropaganda, aber auch über die sozialen Medien. Welches Geschäft muss wohl als nächstes schließen?
Die Stimmung, die mittlerweile unter den Geschäftstreibenden in und um die Beckergrube herum herrscht, macht Margret Witzke Sorgen. Seit vielen Jahren betreibt die Fotografin ihr Studio Fotografie in der Altstadt in der Pfaffenstraße. Witzke kennt viele der Geschäftsleute in der Nachbarschaft – und sie beobachtet, welche Auswirkungen die Baustellen auf die Läden haben.
„Das hier ist mein Kiez“, sagt die Fotografin. In den sozialen Medien weist Witzke immer wieder auf die Schwierigkeiten hin, die Baustellen und Kundenrückgang in dem Areal mit sich bringen. Zuletzt bei der Barrique-Schließung. „Dass es uns allen wahnsinnig leid tut, nützt niemandem“, so Witzke auf Facebook. „Auf dem Weg zur schönen Innenstadt gehen viele Geschäfte kaputt.“
Als Geschäftsinhaberin müsse man heute stärker um seinen Umsatz kämpfen, sagt sie. „Durch die Baustellen haben wir einen geringeren Durchlauf an Menschen. Denn in dem Bereich fallen Bushaltestellen und Parkplätze weg.“ Dass die Baustellen um sie herum nur ein Faktor für schrumpfende Umsätze sind, ist der Fotografin klar. Aber: „Die Faktoren läppern sich einfach“, sagt Margret Witzke. „Mittlerweile teilen wir Geschäftsleute uns keinen Kuchen mehr, sondern nur noch Kekse.“
Niemand könne weitere Unternehmensveränderungen ausschließen, sagt Lübeck-Managerin Olivia Kempke. „Ebenso wenig ist ausgeschlossen, dass andere Unternehmen Lübeck neu entdecken.“ Der wichtigste Faktor in diesem Wandel sei der Mensch, sagt Kempke. „Jeder hat es selbst in der Hand, seine Stadt, die Innenstadt als Mittelpunkt eines Oberzentrums und sogar eine Beckergrube lebendig zu halten.“