„Dabei werden die allermeisten Musikstudierenden nach ihrem Abschluss schnell von Themen wie beispielsweise Einnahmen-Überschuss-Rechnung, Steuererklärung, Gema-Gebühren oder Stiftungsantrag eingeholt“, sagt der erfahrene Musiker, der mittlerweile Studiengangsleiter an der Kalaidos Musikhochschule in Zürich ist. „Das Wissen diesbezüglich ist bei den allermeisten jedoch fast bei null.“
Deshalb hat er zu seiner Lübecker Zeit etwas initiiert, wovon die MHL-Absolventinnen und -Absolventen nun profitieren. Es geht um die beiden mehrteiligen Online-Selbstlern-Kurse mit den Titeln „BWL für Musikerinnen und Musiker“ sowie „Fundraising für Musikschaffende und Musikvermittelnde“. Abrufbar sind sie über die Startseite „Future skills“ – jener Lern-Plattform, deren Aufbau vom Kieler Bildungsministerium finanziell unterstützt wird.
Dass dieses unbeliebte Zahlen-Wissen für die meisten nach dem Studium eine elementare Bedeutung bekommen wird, liegt auf der Hand. Denn laut Statistik gibt es rund 85.000 Musikerinnen und Musiker mit einem akademischen Abschluss in Deutschland. Aber nur 17.000 von ihnen haben eine feste Stelle. Im Umkehrschluss heißt das: 80 Prozent von ihnen sind freiberuflich tätig und müssen sich den Herausforderungen des freien Musikermarktes stellen oder anderweitig Beschäftigung finden.
„Man soll bei einem Konzertveranstalter einen Vertrag unterschreiben und bekommt sofort weiche Knie“, sagt Bracher. „Oder ein anderes Beispiel – das Honorar für einen Auftritt beträgt 500 Euro, und manche denken tatsächlich, sie hätten diese 500 Euro komplett auf der Habenseite.“
Als kompetenten Partner in Sachen Betriebswirtschaftslehre konnte er Nils Balke von der Technischen Hochschule (TH) Lübeck gewinnen. Seine Fachgebiete: Controlling, Investitionen und Finanzierung.
„Wir haben drei Jahre an dem Kursangebot gearbeitet. Der ganze Entstehungsprozess war also sehr aufwendig, da insgesamt sieben Dozierende mit unterschiedlichem Fachprofil bei den einzelnen Online-Modulen, die professionell produziert werden mussten, mitgemacht haben“, erklärt der TH-Professor. Alles sei jetzt sehr anwendungsorientiert geworden.
„Entsprechend haben wir unter anderem ein konkretes Geschäftsmodell im Dialog für Herrn Bracher entwickelt sowie eine Fallstudie für eine Pianistin entworfen, wie sie von Stiftungen oder anderen Institutionen unterstützt werden könnte“, sagt Balke.
Student Benjamin Hellmund mit Hauptfach Violine hat das Angebot schon ausprobiert. „Zwar gab es auch schon vorher Lehrveranstaltungen im Wahlbereich Musikbusiness bei uns an der MHL. Allerdings war das ein Timing-Problem“, sagt Hellmund. „Wenn ich im sechsten Semester lerne, wie ich eine Gema-Anmeldung mache, aber es zwei Jahre nicht brauche, dann habe ich es vergessen. Nun kann ich mir das Online-Modul erst dann abrufen, wenn ich den Inhalt konkret in der Praxis wissen muss.“ Auch bei seinem aktuellen Projekt, dem Ensemble Camerata Hanseatica, könne er von dem vermittelten Wissen erheblich profitieren.
Den Punkt „Timing“ hebt auch MHL-Absolventin Paula Breland hervor: „Es ist äußerst praktisch, solche Kurse ortsunabhängig absolvieren zu können. Den Fundraising-Kurs empfand ich als sehr gut strukturiert und hilfreich, insbesondere durch die klaren Tipps und Tricks, die direkt umsetzbar sind.“
Gerade für junge Musikerinnen und Musiker, die noch wenig Erfahrung im Selbstmanagement und Selbstmarketing sammeln konnten, hält sie das Format für „wertvoll, um in die Thematiken und das Leben nach dem Studium hineinzuschnuppern“.
Kristoph Krabbenhöft, ebenfalls Absolvent der MHL, der die Nachfolge von Jens Bracher angetreten hat und nun das Career Center leitet, war zehn Jahre lang auf dem freien Musikmarkt tätig. „Ich habe das tägliche Handwerkszeug durchs Machen gelernt. Es geht also“, resümiert er. „Aber man geht definitiv an der ein oder anderen Abkürzung vorbei, wenn man sich alles selbst erarbeiten muss.“ Nils Balke von der TH ergänzt: „Man braucht die Grundinstrumente, um erfolgreich zu sein.“