Wobei die 380-kV-Ostküstenleitung – geplante Fertigstellung: 2027 – vor allem eine optische Beeinträchtigung sein wird: ein knapp 80 Meter hoher Mast neben dem Friedhof, mit orangefarbener Flugwarnkugel an der Spitze, denn der Flugplatz Sierksdorf/Hof Altona liegt nur zwei Kilometer entfernt. Der Mast wird das Holzkreuz auf dem Ehrenfriedhof bei weitem überragen. Es gemahnt an die 1128 Toten, die dort beigesetzt sind: ehemalige KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter, die im Mai 1945 bei der Bombardierung der Schiffe „Cap Arcona“ und „Thielbeck“ starben. „Die Bäume auf dem Friedhof sollen bleiben“, erklärt Michael Dietz.
„Wir lehnen den Mast an der Stelle komplett ab“, sagt Bettina Schäfer, Bürgermeisterin der Gemeinde Scharbeutz. Sie spricht von einem „würdelosen“ Vorgehen. „Zurzeit haben wir ein kleines Druckmittel und verweigern dringend benötigte Unterschriften zur Nutzung unserer Flächen“, berichtet sie. Wie lange die Gemeinde den Druck auch rechtlich aushalten werde, sei nicht klar. Immerhin: Laut wird die Stromtrasse wohl nicht, anders als die gefürchtete Hinterlandanbindung. Ein Teil der 88 Kilometer langen, neuen Bahnstrecke wird östlich der Autobahn an Haffkrug vorbeiführen, nicht – wie es die Haffkruger wollten – westlich der A1. Eine Wand, deren Höhe noch nicht feststeht, soll die gut 1700 Einwohner und ihre Feriengäste vor dem Lärm schützen, sagt Michael Dietz, doch er glaubt nicht daran.
„Bei Westwind hört man jetzt schon die Autobahn bis runter zum Strand“, erklärt er. Der Bahnlärm werde trotz Schutzwand zumindest zeitweise im gesamten Dorf zu hören sein – auch am Wasser. Dort, wo seit September die neue, schicke 19-Millionen-Euro-Seebrücke Besucher anzieht und die Restaurants, Cafés und Beachbars an der Strandallee von der Attraktion profitieren.
Bislang haben sich vor allem diejenigen gegen die Hinterlandanbindung engagiert, die nah dran sind am infrastrukturellen Ballungszentrum in spe. Das sind Anwohner aus Straßen, die Aalweg oder Am Knurrhahn heißen. Das Haus von Michael Dietz liegt am Karkstieg, die Entfernung zur Bäderbahn-Trasse beträgt etwa 80 Meter, zur neuen Schienentrasse werden es mehr als 350 Meter sein.
Mit anderen Ostholsteinern gründete Michael Dietz 2012 die Bürgerinitiative „Kein Güter-Bahnverkehr durch die Badeorte der Lübecker Bucht“ (KGBV). Er hat sich durch zig Ordner gewühlt, an runden Tischen und im Dialogforum gesessen und beim Termin vor Ort per Lautsprecher den zu erwartenden Lärm simuliert. „Dorthin kommt der neue Bahnhof“, sagt er und zeigt auf einen Acker vor der A1, etwa 300 Meter vom jetzigen Haltepunkt der Bäderbahn entfernt. Regionalzüge und ICEs sollen irgendwann dort halten – und Güterzüge vorbeirauschen, bis zu 835 Meter lang. 70 Stück in 24 Stunden, nach der aktuellen Verkehrsprognose 2040 des Bundesverkehrsministeriums sogar 117 Stück.
Der neue Bahnhof wird mit einer Straße und einem Kreisverkehr angebunden, der auch die K45 nach Sierksdorf und die B76/Bäderstraße verknüpft. „Außerdem wollen wir eine Straße von der B76 hinüber zum Waldweg“, berichtet Michael Dietz, denn das wäre eine weitere Entlastung fürs Dorf. Was sie in Haffkrug überhaupt nicht wollen, ist der Fortbestand der jetzigen Bäderbahn, wie ihn die Timmendorfer inständig forderten. „Dann hätte Haffkrug zwei Bahnlinien und zwei Bahnhöfe, die nur 300 Meter voneinander entfernt wären“, erklärt Michael Dietz.
Und was, wenn es dann auf der neuen Trasse eine Sperrung gäbe? Würde dann die alte Strecke zur Ausweichroute für die Güterzüge, unmittelbar neben dem Dorf und ohne Lärmschutz? Das lehnen die Haffkruger strikt ab. Dieses Szenario bereitet Michael Dietz allerdings auch keine großen Sorgen, denn dass die Bäderbahn erhalten bleibt, erscheint unwahrscheinlich.
Und apropos unwahrscheinlich: Kann sich der Dorfvorsteher vorstellen, dass die Hinterlandanbindung angesichts zahlreicher Probleme und Verzögerungen vielleicht doch nicht gebaut wird? „Nein“, sagt Michael Dietz. „Die Schienentrasse kommt auf jeden Fall. Die Frage ist nur: Wann?“