Exakt zwei Jahre und neun Monate ist der Vorfall mittlerweile her, der das Leben des Ehepaars aus Nordrhein-Westfalen auf den Kopf gestellt hat. Das Opfer und ihr Mann hatten Urlaub auf einem Wohnmobilstellplatz in Scharbeutz gemacht, wollten den Abend in einem Fischrestaurant genießen.
In der beliebten Location an der Promenade trafen Sie auf Arno R. (alle Namen geändert), den sie vom Stellplatz kannten. Dort lebte der adrett gekleidete Mann unter falschem Namen und gab sich als Eventmanager aus.
Was erst im Laufe des Prozesses ans Licht kommt: Der 55-Jährige war zu dieser Zeit bereits wegen etlicher Betrugsdelikte vorbestraft. Er soll nach LN-Informationen unter anderem auf einer Internetverkaufsplattform die Identität eines Toten angenommen haben.
Was in dem Restaurant an der Scharbeutzer Promenade passiert ist, belegen Videos der Überwachungskameras und private Bilder. „Gott sei Dank habe ich alles fotografiert“, sagt Stefan B., der Mann des Opfers. Auch ihm hatte der Täter die Tropfen verabreicht, vermutlich um ihn außer Gefecht zu setzen.
„Um 19.45 Uhr ist mein Glas leer“, erzählt er. „Eine Minute später wieder voll.“ Nachgeschüttet von Arno R., der zwischenzeitlich eine eigene Weinflasche von drinnen geholt hatte und sie gesondert aufbewahrte. Videoaufnahmen beweisen später, wie das Ehepaar nur noch taumelnd und mithilfe des 55-Jährigen vom Restaurant aufbrach.
Auch ein ausgeschlagener Zahn diente vor Gericht als Beweis. „Meine Frau hat ihn sich ausgeschlagen auf dem Weg nach Hause“, erzählt Stefan B. „Sie hat es durch die K.-o-Tropfen nicht gemerkt, was bei den Schmerzen ansonsten kaum möglich gewesen wäre.“ Was kurz danach im Wohnmobil passierte, haben die beiden noch immer nicht verarbeitet. Arno L. hat die Urlauberin vergewaltigt. Ihr Mann lag gelähmt auf der Sitzbank wenige Meter weiter und konnte nicht eingreifen.
Erst Tage später hatten sie realisiert, was passiert war und die Polizei eingeschaltet. Mögliche Substanzen waren zu diesem Punkt nicht mehr nachweisbar. Umso wichtiger waren vor Gericht Beweismittel und Zeugenaussagen. Unter anderem hatten sich weitere mögliche Opfer gemeldet.
Der Einlassung des Angeklagten, dass die sexuellen Handlungen einvernehmlich waren, folgte das Gericht nicht. Der Verteidiger von Arno L. schob das Geschehen derweil auf zu viel Alkohol und plädierte auf Freispruch. Das Gericht folgte allerdings dem Antrag der Staatsanwaltschaft und verurteilte den 55-Jährigen zu einer sechsjährigen Haftstrafe. Arno L. sitzt ohnehin bereits aufgrund einer anderen Verurteilung in Haft. Sobald das Urteil des Lübecker Landgerichts rechtskräftig ist, wird es vollstreckt.
Für die Opfer geht damit ein langer Leidensweg zu Ende. „Ich habe mich jeden Tag mit der Thematik beschäftigt“, sagt Stefan B. „Wir sind vor allem erleichtert, dass er seine Strafe bekommen hat.“ Denn das Erlebte in allen Details bei Polizei und vor Gericht wiederzugeben, hat das Ehepaar viel Kraft gekostet. „Aber es ist uns wichtig, auf die Thematik aufmerksam zu machen und Betroffenen Mut zu machen.“