Der letzte Fall in Ostholstein, von dem die Polizei weiß, ereignete sich am 28. September in Timmendorfer Strand. „Während einer Veranstaltung in einer Hotelbar wurden einer Urlauberin Getränke angeboten, die vermutlich mit K.-o.-Tropfen versehen waren“, erklärt Maik Seidel, Sprecher der Polizeidirektion Lübeck, die auch für Ostholstein zuständig ist.
Insgesamt acht solcher Vorfälle in Ostholstein wurden der Polizei in diesem Jahr angezeigt, zum Beispiel in Scharbeutz, Oldenburg und Kasseedorf. Für Lübeck sind es laut Seidel bislang 13 Anzeigen. Die Dunkelziffer ist jedoch vermutlich deutlich höher. „Da Betroffene oft nur bruchstückhafte Erinnerungen an eine Straftat haben, ist es wahrscheinlich, dass viele sich keine Unterstützung suchen“, sagen Taschendorf und Chrobok, die am Standort Eutin arbeiten. Obwohl der Frauennotruf Anlaufstelle für Betroffene ist, wenden sich nur wenige an die Einrichtung.
„Vermutlich geht es einigen Betroffenen ähnlich wie Gisèle Pelicot, dass sie sich nicht daran erinnern können, was ihnen widerfahren ist“, sagen sie und beziehen sich auf den Prozess, der derzeit im südfranzösischen Avignon gegen Pelicots Ehemann und 51 weitere Männer läuft. Ihr Mann hatte ihr über einen Zeitraum von mehr als neun Jahren Medikamente ins Abendessen gemischt, sie damit betäubt und über eine Internetseite Männer eingeladen, Gisèle Pelicot sexuell zu missbrauchen.
Darüber hinaus spielen Schamgefühle eine große Rolle. „Betroffene machen sich selbst oft Vorwürfe. Sie denken zum Beispiel: ‚Ich hätte besser aufpassen müssen“ oder ‚Hätte ich doch weniger getrunken‘“, erklärt Taschendorf. „Dabei trägt der Täter zu 100 Prozent die Verantwortung für seine Tat!“
Sie weisen darauf hin, dass sich Betroffene bei einem Verdachtan die vertrauliche Spurensicherungwenden können. „Die Realität ist allerdings häufig, dass Betroffene in der kurzen Zeitspanne, in der K.-o.-Tropfen nachweisbar sind, nicht in der Lage dazu sind, Schritte einzuleiten“, sagen die Mitarbeiterinnen der Frauenberatungsstelle.Die gängigen K.-o.-Tropfen seien im Blut nur circa sechs Stunden nachweisbar, im Urin neun Stunden. „In der Zeitspanne sind die Betroffenen häufig noch nicht wieder stabil genug, um zu einer Untersuchung zu gehen.“ Auch bei den meisten Vorfällen, die bei der Polizeidirektion Lübeck angezeigt wurden, handelt es sich um Verdachtsfälle, da kein Nachweis erbracht werden konnte, erklärt Sprecher Seidel. Die Frauenberatung Ostholstein rät, sich vor K.-o.-Tropfen zu schützen, indem man in öffentlichen Räumen sein Getränk nicht aus den Augen lässt. „Bemerkt man ungewöhnliche Symptome, sollte man sofort handeln und zum Beispiel einer Freundin Bescheid geben, dass etwas nicht stimmt“, rät Chrobok vom Frauennotruf. Daher sei es sinnvoll, Partys möglichst mit vertrauten Personen zu besuchen.
In Stockelsdorf findet am Mittwoch, 13. November, ein Präventionstag mit der Autorin Petra Glück aus Niedersachsen statt. Als junge Frau wurde sie auf einem Klassentreffen von ehemaligen Mitschülern mit K.-o.-Tropfen betäubt und sexuell missbraucht. Aufgrund von Schamgefühlen sprach sie viele Jahre lang nicht darüber und erkrankte an einer posttraumatischen Belastungsstörung.Mit professioneller Hilfe hat sie das Verbrechen aufgearbeitet und ein Buch darüber geschrieben. Nach einer Gesprächsrunde mit Schülern der Gerhard-Hilgendorf-Gemeinschaftsschule Stockelsdorf am Vormittag, wird sie um 18 Uhr in der Villa Jebsen aus ihrem Buch lesen. Die Teilnahme ist kostenlos, um Anmeldung wird gebeten unter buecherei@stockelsdorf.de oder 0451/ 4901-470.Am 14. November ist die Autorin zu einer öffentlichen Lesung in Bad Schwartau : von 16.30 bis 18.30 Uhr in der Mensa des Gymnasiums am Mühlenberg.