„Undenkbar“ ist das zum jetzigen Zeitpunkt für Eutins Amtsgerichtsdirektorin Anja Farries. Da beide Gebäude keine Kapazitäten für die jeweils anderen Mitarbeiter hätten, müsste ein komplett neues Gebäude geschaffen werden. „Dabei haben beide Häuser keinen hohen Sanierungsbedarf“, sagt Farries. Das aber wohl entscheidendste ist die Größe des Kreises. „Es ergibt Sinn, dass es zwei Gerichte gibt, um die Fläche abzudecken. Alles andere wäre verkehrstechnisch schwierig und eine Zumutung für die Bürger“, sagt die Direktorin.
Zudem habe jedes Gericht seine eigenen Schwerpunkte. „In Oldenburg gibt es aufgrund der Nähe zu den psychiatrischen Einrichtungen deutlich mehr Betreuungsverfahren als bei uns“, sagt Farries. „Dafür haben wir in Eutin die Nähe zur Kreisverwaltung und können hier auf schnellem Wege tätig werden.“
Fraglich sei für sie auch, welche Einsparungen eine Zusammenlegung am Ende wirklich bringen würde. Das Amtsgericht Bad Schwartau wurde beispielsweise 2009 geschlossen und stand dann jahrelang leer. 2019 schließlich kaufte die Stadt das Gebäude, zwischenzeitlich wurde es als Impfzentrum genutzt. „Man hat nie wieder gehört, wie viel Einsparungen das Ganze am Ende wirklich gebracht hat“, sagt Farries.
Ebenso wie ihr Oldenburger Kollege Jörg Kriewitz ist sie aber vor allem enttäuscht über die Art der Kommunikation. Die Information sei zeitgleich per E-Mail an alle Mitarbeiter der schleswig-holsteinischen Justiz verschickt worden.
Auch heute – rund eine Woche später – herrsche Entsetzen und Sprachlosigkeit. „Hier sind Mitarbeiter abends weinend rausgegangen, weil sie Angst um ihre Zukunft haben“, erzählt Anja Farries.
Vor einigen Tagen war sie deshalb gemeinsam mit ihren Kollegen im Namen der Richterschaft des Landes bei der Ministerin. „Wir haben um Zahlen gebeten, welche Einsparungen denn überhaupt zu erwarten sind“, sagt sie. „Denn aktuell halten wir das alles für unausgegoren und sind nicht überzeugt.“
Dabei geht es ihr nicht nur um die Fragen in Ostholstein, sondern landesweite Entscheidungen.Arbeits- und Sozialgerichte sollen künftig in einem neuen Fachgerichtszentrum gebündelt werden. Das Finanzgericht soll zudem von Kiel nach Schleswig ziehen.Kritik gibt es auch aus der Politik. Der SPD-Landtagsabgeordnete Niclas Dürbrook bezeichnete das Vorgehen als „Holzhammer-Kommunikation“. Zudem sagte er: „Ich sehe diese Pläne mit extrem großer Sorge. Neben den Arbeitsplätzen vor Ort geht es immer auch um die Erreichbarkeit für Bürger, die Verankerung der Justiz vor Ort und die Kenntnis regionaler Besonderheiten.“
Thomas Garken, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion zweifelt zudem am Einsparpotenzial: „Die Mitarbeitenden und die Arbeit verschwinden nämlich nicht einfach. Am neuen Standort müssen Büros, Verhandlungssäle und Infrastruktur geschaffen werden. Am alten Standort bleibt ein leerstehendes Gebäude und die Gewissheit, dass die Mitarbeitenden langfristig die weiten Fahrtwege nicht auf sich nehmen und mit ihren Familien wegziehen werden.“