Und das ohne die verklärten Vorstellungen aus der Filmwelt. In der Realität arbeite man im Matsch bei Wind und Wetter – oder auch auf „knüppelhartem Boden wie hier auf Fehmarn“, betont Selent, der auch schon in Ägypten gegraben hat. Warum er seit 30 Jahren dabei ist? „Ich habe Spaß, zu forschen, bin neugierig, und es wird niemals langweilig.“
Gegraben wird auch auf der anderen Seite der Tunnelzufahrt in Großenbrode. Bauherr Deutsche Bahn muss die Arbeiten beauftragen, ist dazu gesetzlich verpflichtet, das Archäologische Landesamt einzuschalten, das wiederum Selent und sein Team beauftragt hat.
Voruntersuchungen im vergangenen Jahr haben Hinweise auf Siedlungsreste erbracht. „Unsere Erwartungen waren nicht besonders groß“, erinnert sich Selent. Doch es kam anders. Man habe sehr viel gut datierbares Material gefunden, erzählt der Experte. „Das ist für Schleswig-Holstein etwas Besonderes und für Fehmarn etwas Einmaliges.“
95 Befunde, also menschengemachte Strukturen, konnten bisher dokumentiert werden. Das können Gruben und Gräber sein oder, wie auf Fehmarn, Feuerplätze mit Kohleresten und porösen Steinen, die einst geglüht haben – und das auf einer Länge von über 100 Metern.
In den Strukturen enthalten sind Dutzende Fundstücke aus der Steinzeit. Einige sind über 5000 Jahre alt: Trichterbecher, Keramiken, Klingen, Dolche und Pfeilspitzen aus Flint (Feuerstein) oder Schaber zum Entfernen von Fleischresten vom Fell zählt Selent auf.
„Wir bekommen Einblicke in die Welt vor 5000 Jahren“, sagt der Archäologe. Und die sah wohl so aus auf Fehmarn: „Es ist ein bäuerliches Leben. Metall gab es noch nicht, aber Viehhaltung, Getreideanbau, Textilien wurden gewebt und es wurde getöpfert“, erzählt Selent. Er hält einen spitz geschliffenen Feuerstein hoch, der in Großenbrode gefunden wurde. Als Steilbeil mit Holzschaft gehört es zu den wichtigsten Werkzeugen der Steinzeit. „Damit ließen sich Bäume fällen.“
Im kommenden Jahr wird der Boden am Fehmarnsund nochmals unter die Lupe genommen. Dann sei der Kampfmittelräumdienst an der Reihe, sagt Bahn-Sprecherin Michaela Klauer. 2025 will das Verkehrsunternehmen alle Firmen an der Hand haben, die den Sundtunnel bauen, „damit wird 2026 starten können“.
Die Untersuchungen des Landesamtes bezahlt übrigens die Bahn. „Verursacherprinzip“, sagt Projektleiterin Anja Austen und fügt hinzu: „Für uns sind das hier Notgrabungen“, wenngleich es negativer klinge, als es sei: „Vieles hätten wir ohne derartige Großprojekte niemals erfahren. Wir sind froh über jeden Fund.“ 18.000 seien es zuletzt gewesen auf der Northvolt-Baustelle bei Heide. Die größte Ausgrabung in der Geschichte des Landesamtes. „Totaler Stress, aber absolut fantastisch“, beschreibt es Austen.
Und was passiert mit den Funden vom Fehmarnsund? „Alles wird gesäubert, dokumentiert, in Kategorien eingeteilt und bekommt einen Barcode. Anschließend wird es im Schloss Gottorf eingelagert“, erklärt die Projektleiterin.
Das dortige Museum für Archäologie besitzt mehr als zehn Millionen Funde aus 80.000 Jahren Menschheitsgeschichte. „Ein Besuch im Museum oder in der Bibliothek kann für Interessierte auch spannend sein“, sagt Andreas Selent und fügt mit einem Lächeln auf den Lippen hinzu: „Das hat Indiana Jones schließlich auch gemacht.“