Die Bergung von 50 Tonnen Munition ist eine Art Test. Der Bund möchte herausfinden, wie man möglichst effektiv und schnell eine große Menge an Altlasten vom Meeresgrund bergen kann. Experten vermuten, dass in Nord- und Ostsee insgesamt rund 1,6 Millionen Tonnen liegen. Der Großteil stammt aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Am Ende des Prozesses steht der Bau einer schwimmenden Industrieanlage. In dieser sollen all die Dinge, die aus dem Meer geholt werden, verbrannt werden.
Sollte das nicht gelingen, wäre der Aufwand um ein Vielfaches höher. Dann nämlich müsste genau das passieren, was mit den 50 Tonnen in diesem Sommer geplant ist. Sie werden zunächst per Schiff nach Neustadt gebracht. Dort gibt es einen hochgesicherten Bereich der Marine, wo die gefährlichen Reste auf Lkw verladen werden. Diese wiederum würden als gekennzeichnete Gefahrguttransporte über die Autobahn 1 nach Munster fahren. Laut Projektkoordinator Wolfgang Sichermann werde es maximal zehn Fahrten über die A1 geben.
Bei der Geka mbH wird rund um die Uhr Munition verbrannt. Frank Lorkowski, Sprecher der Geschäftsführung und selbst kaufmännischer Geschäftsführer, erklärt, wie das funktioniert. Zudem betont er, dass es nicht möglich sei, die angelieferten Altlasten direkt in eine der drei Verbrennungsanlagen zu schmeißen. Wichtig sei, eine Art Vernichtungs-Menü zusammenzustellen, erklärt Lorkowski, „die einzelnen Zutaten müssen zueinander passen.“ So entstehen 3,4 Kilogramm schwere Pakete. Diese werden auf ein Laufband gepackt. „Alle 15 Minuten wird dann eine Ladung in den Ofen geworfen.“
Am Ende bleiben Metallschrott und Salze übrig. „Der Schrott wird verwertet und teilweise in den 1200 bis 1400 Grad heißen Kammerofen gepackt, um alles zu vernichten, was nicht dran sein soll“, erläutert der Geschäftsführer. Anschließend würden Entsorgungsunternehmen die Überreste weiterverarbeiten. Die Salze indes – also gebundene Schadstoffe – werden 700 bis 800 Meter tief unter der Erde eingelagert. Entsprechende Schächte befinden sich in Ostdeutschland.
Der überwiegende Teil der Munition kommt übrigens aus Deutschland. Frank Lorkowski und die etwa 160 Geka-Mitarbeitenden unterscheiden zwischen zwei Arten. Einerseits gibt es die reichseigene Munition, also die der Wehrmacht, und jene, die die Wehrmacht erbeutet hat. „Sie wird von den Bundesländern beziehungsweise den Kampfmittelräumdiensten der Länder geborgen“, sagt Lorkowski und ergänzt, dass die Länder die Altlasten selbst vernichten, oder kostenfrei in Munster abgegeben können. „Wir warten wie eine Spinne auf Anlieferungen“, führt er aus. Die Kosten übernehme dann die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, welche dem Finanzministerium untersteht.
Andererseits gibt es die sogenannte „alliierte Munition“. Dabei handelt es sich meist um Abwurf-Munition, also enorme Mengen an Bomben. Laut Frank Lorkowski sei die Qualität dieser sehr unterschiedlich, und es gebe jede Menge Blindgänger. „Man schätzt, dass ein Fünftel nicht umgesetzt hat“, sagt er. Für diese Art von Munition seien die Bundesländer komplett eigenverantwortlich zuständig und müssten auch die Kosten für die Entsorgung tragen.
Zu den erwarteten Lieferungen aus der Lübecker Bucht sagt Frank Lorkowski: „Was aus dem Meer kommt, ist so wie jede andere Munition.“ Es kann sein, dass sie einen Monat nach Ankunft oder zwei Jahre später verbrannt wird. Dies hänge mit dem benötigten Vernichtungs-Menü sowie den Kapazitätsgrenzen zusammen. Pro Jahr könne man 700 Tonnen verbrennen.
Der Sprecher betont: „Wir müssen die Altlasten teilweise auseinandernehmen – mit der Bandsäge oder einer ferngesteuerten Elektrosäge.“ Schließlich müsse der Sprengstoff aus den Bomben geholt werden. Bis das passiert, werden die Kampfmittel in Munitionsbunkern zwischengelagert. Nur wenige Wochen lang oder eben Jahre.