Mitte der 1980er-Jahre begann in Westdeutschland das Zeitalter des Kabelfernsehens. Eine Revolution: Mussten sich TV-Zuschauer bis dahin mit sechs Programmen begnügen, gab es plötzlich jede Menge Abwechslung. Und auch der Ärger über den verschneiten Antennen-Empfang hatte ein Ende. Plötzlich gab es scharfe Fernsehbilder.
Um die technische Neuerung einem breiten Publikum zugänglich zu machen, erfand die damalige Bundesregierung das sogenannte Nebenkostenprivileg. Vermieter schlossen günstige Sammelverträge mit den Kabelanbietern; die Abrechnung mit den Mietern erfolgte unkompliziert über die Nebenkosten. Doch nun läuft diese Regelung aus. Denn wegen der heutigen Vielzahl an TV-Empfangsmöglichkeiten gilt das Gesetz als nicht mehr zeitgemäß.
Bereits seit dem 1. Dezember 2021 ist das Gesetz außer Kraft. Es gibt aber eine Übergangsfrist für Vermieter und Mieter: Sie läuft bis zum 30. Juni 2024. Danach werden die betroffenen Fernseher dunkel – so sich denn der Mieter nicht selbst um einen neuen Vertrag kümmert. Die Möglichkeiten sind vielfältig: „Verbraucher können nun auch alternative Fernsehempfangswege wie DVB-T2 HD, Satellitenfernsehen, IPTV oder Streamingdienste nutzen“, erklärt Kerstin Heidt von der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein.
In Lübeck muss aber nicht jeder betroffene Mieter selbst tätig werden. „Unser gesamter Wohnungsbestand läuft seit langer Zeit über Vodafone“, erklärt Dr. Matthias Rasch, Geschäftsführer der Grundstücksgesellschaft „Trave“. „Wir haben für unsere Mieter nun neue, bessere Konditionen fürs Kabelfernsehen mit Vodafone ausgehandelt“, so Rasch. Die seien günstiger als die Alten, verspricht der „Trave“-Geschäftsführer. „Trave“-Mieter könnten diese neuen Verträge selbst abschließen, müssen das aber nicht. Die Grundstücksgesellschaft will die Mieter ihrer rund 8500 Wohnungen in Lübeck demnächst über den Ablauf der Umstellung informieren.
Auch die Grundstücksgesellschaft Neue Lübecker hat nach Angaben ihrer Sprecherin Nadine Hofmann Sonderkonditionen für ihre Mieter ausgehandelt. „In jedem Fall ist es erforderlich, dass die Mieter einen direkten Einzelvertrag mit dem Anbieter abschließen“, so Hofmann.Auch wenn die Zeit drängt: Einschüchtern lassen sollte sich kein Mieter, sagt Nadine Hofmann. „Uns liegen Hinweise über Haustürgeschäfte vor. Die Verkaufsberater setzen unsere Mitglieder zum Teil unter Druck“, weiß die Unternehmenssprecherin. Die Verkäufer sagten den Mietern, dass ihre TV-Anschlüsse stillgelegt würden und ein neuer Vertragsabschluss sofort erforderlich sei.Vor diesen Methoden warnt auch die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein. „Durch provisionsgetriebene Vertriebsmodelle versuchen Medienberater gerne auch mal überdimensionierte Kabelverträge mit Pay-TV-Angeboten zu verkaufen“, weiß Kerstin Heidt. Auch könne es dazu kommen, dass gleich Telefon- und Internetverträge mit angeboten werden. Verbraucher sollten dann genau hinsehen. „Geschäfte an der Haustür sind für durchdachte Entscheidungen wenig geeignet.“