Die Mensa der Polizeidirektion wird zum Hörsaal. Es ist mucksmäuschenstill. 250 Berufsschüler, Polizeianwärter und Lehrkräfte sind sichtlich berührt. Viele Worte und Sätze sind schwer zu ertragen. Vereinzelt fließen Tränen. Schonungslos offen erzählt Ivar Buterfas-Frankenthal von seiner Kindheit und Jugend in Nazi-Deutschland. Der 90-jährige Hamburger hat den Holocaust überlebt. In sogenannten Zeitzeugengesprächen versucht er seither, die Erinnerung an die unmenschlichen Verbrechen wach zu halten. Auf Einladung der Beruflichen Schulen des Kreises Ostholstein Eutin hielt er dort seinen 1905. Vortrag.
Das Thema sei wieder brandaktuell, betonte Buterfas. Er beobachte, dass Rechtsradikale wieder die Parlamente stürmen, wie Geschichte umgedeutet werde. „Die Vergangenheit hat uns eingeholt“, rief er ins Publikum. „Es droht uns große Gefahr.“ Er sehe jedenfalls einige Parallelen zum Niedergang der Weimarer Republik und dem Aufstieg der Faschisten in Deutschland und Europa.
Ivar Buterfas wurde im Januar 1933 geboren, wuchs mit sieben Geschwistern in Hamburg auf. Sein Vater war jüdischen, seine Mutter christlichen Glaubens. „Damit galt ich als Halbjude“, sagte Buterfas. Er musste den Judenstern tragen. Als fünfjähriger Erstklässler wurde ihm die Bedeutung richtig klar. Kurz nach der Einschulung sei er beim Appell vom Schulleiter aufgerufen worden, erzählt er. „Links standen die Mädchen in BDM-Uniformen, rechts die Hitlerjungen.“ Nachdem er vorgetreten sei, habe ihn der Direktor beschimpft und der Schule verwiesen.
Ältere Hitlerjungen verfolgten und schlugen ihn. Sie zogen ihn aus, drückten eine glühende Zigarettenspitze auf seinen Oberschenkel, stellten ihn auf einen Fußabtreter aus Metall. Unter das Gitter schob die Bande Papier, das sie anzündeten. „Sie riefen: Jetzt wollen wir die Judensau verbrennen“, sagte Buterfas. „Ich habe mordsmäßig geschrien.“ Diese Szene verfolge ihn noch heute in Albträumen. Er wollte zur Polizei gehen, aber seine Mutter habe nur mit dem Kopf geschüttelt. „Wir wären dort erschlagen worden.“ 1942 verhindern mehrere Zufälle die Deportation in ein KZ. Die Familie flüchtet, wechselt mehrfach das Versteck, überlebt – allerdings staatenlos.
Nach Kriegsende dauerte es fast 20 Jahre, bis Buterfas seinen deutschen Pass und die Bürgerrechte wiederbekam. Trotz vieler Demütigungen, die er ertragen musste, sei er heute froh, in Deutschland zu leben. Seine Botschaft: „Es lohnt sich, für unsere Demokratie zu kämpfen.“